Zu den weltweit emissionsintensivsten Industrieanlagen gehören 406 Unternehmen und stossen zusammen jährlich rund 8 Gigatonnen Kohlendioxid (Gt CO2) aus. Würden diese Anlagen vollständig dekarbonisiert, wäre bereits rund ein Drittel der Emissionsminderung realisiert, die bis 2030 nötig ist, um das Pariser Klimaziel von maximal 1,5 Grad Temperaturanstieg zu erreichen. Die Kosten dafür würden sich je nach verwendeter Technologie auf 7,5 bis 10,5 Billionen US-Dollar belaufen. Dies ergibt die Studie "Global Carbon Restructuring Plan", für die Experten von Roland Berger die 1.000 weltweit grössten Emittenten analysiert haben und Optionen zu ihrer Dekarbonisierung sowie die dafür entstehenden Kosten ermittelten.
Für das 1,5-Grad-Ziel muss die Welt bis 2030 ihre jährlichen CO2-Emissionen um 24 Gigatonnen, laut Emissions Gap Report 2023, reduzieren. Von den jährlich 8 Gigatonnen der 1.000 emissionsintensivsten Industrieanlagen "geht mehr als die Hälfte auf das Konto von nur 40 Unternehmen, und ganze 160 Unternehmen sind für 80% verantwortlich", so Martin Hoyer, Partner bei Roland Berger. "Das zeigt das grosse Klimaschutz-Potenzial einer konzertierten Aktion zur Dekarbonisierung dieser Hauptemittenten. Mit unser Studie wollten wir die grössten Hebel identifizieren, um maximale Dynamik für die globalen Dekarbonisierungsbemühungen zu schaffen – über Ländergrenzen hinweg und aus der Perspektive der Anlagenbesitzer."
Für die Dekarbonisierung der betrachteten Anlagen gibt es verschiedene Technologie-Optionen, wie die Analyse zeigt: Die Bandbreite reicht von der Umstellung auf erneuerbare Energien, Kernenergie oder Erdgas bis zur Abscheidung des bei fortgesetzter Anwendung fossiler Energien entstehenden Kohlendioxids und dessen Einlagerung (CCS). Je nach Dekarbonisierungslösung ergeben sich unterschiedliche Kosten für die vollständige Dekarbonisierung. Kernenergie sowie die Umstellung auf Gas sind mit jeweils rund 10,5 Billionen US-Dollar über den Zeitraum von 2025 bis 2050 die teuersten Optionen. Darauf folgt CCS mit 10,3 Billionen US-Dollar. Die Umstellung auf erneuerbare Energien kommt mit 7,5 Billionen US-Dollar am günstigsten. Über die Zeitspanne verteilt würde dies jährliche Kosten von 0,3 bis 0,4 Billionen US-Dollar bedeuten. Das wären im Vergleich weniger als 20% der globalen Ausgaben für beispielsweise Forschung und Entwicklung (2,3 Billionen US-Dollar) im Jahr 2021.
Mehrheit der Produktionsanlagen aus der Energieerzeugung
Die Analyse der Roland Berger-Experten ergibt, dass über drei Viertel (77%) der Emissionen der Top-1.000 aus dem Bereich der Stromerzeugung stammen, 18% aus der Eisen- und Stahlproduktion und 3,5% aus der Öl- und Gasindustrie. Regional betrachtet sind die meisten der 1.000 Anlagen in China (54%) und Indien (13%) angesiedelt, gefolgt von den USA (10%) und Europa (3%). Durch diese regional ungleiche Verteilung sind die Länder sehr unterschiedlich von den Kosten für die Dekarbonisierung betroffen: China und Indien etwa müssten zwischen 18 und über 30% ihres Bruttoinlandsprodukts aufwenden, die USA und Europa nur zwischen 2 und 5%.
"Die 406 Eigentümer der untersuchten 1.000 Anlagen müssen jeweils vor dem individuellen Hintergrund ihres Umfelds und ihrer spezifischen Märkte analysieren, welche Optionen sie haben", sagt Hoyer. "Sie stehen alle vor denselben Fragen: Welche Technologie ist am besten? Wie lässt sich die Versorgungssicherheit gewährleisten? Woher kommen die finanziellen Mittel? Kollaborationen von staatlichen und wirtschaftlichen Akteuren in den Bereichen Technologie sowie Forschung und Entwicklung könnten das Potenzial und das Tempo der Dekarbonisierungsaktivitäten deutlich steigern."
Der Energiesektor hat Aufholbedarf
Das Engagement für den Wandel zu grüner Produktion ist je nach Sektor und Region unterschiedlich. Für nur 11 % der identifizierten Energie-Produktionsstätten liegen Dekarbonisierungspläne vor. Europa zeigt hier die grössten Fortschritte, denn für die Hälfte der analysierten europäischen Energieanlagen sind bereits Pläne vorhanden. In den USA ist das für knapp ein Drittel (29 %) der Einrichtungen der Fall. Unter den Nicht-Stromanlagen sind die Öl- und Gasunternehmen zusammen mit den Eisen- und Stahlunternehmen am aktivsten. / dpa
Die vollständige Studie befindet sich im Anhang oder gibt es zum Download hier.