Chance oder Realitätsverweigerung?

Chance oder Realitätsverweigerung?

Stimmen und Trends aus der Hotellerie von der Expo Real 2023

Expo Real 2023, Entry
Trotz Immobilienkrise – auf der Expo Real dominierten in diesem Jahr ESG-Themen. / © William Veder, HI

Schon der Weg von der U-Bahn bis zur Expo Real war gepflastert mit Plakaten, die von Reduzieren oder Recyceln zur CO2-Reduzierung sprachen. Dazwischen dann wiederkehrend das Plakat von Deutsche Zinshaus mit der fast etwas verzweifelt klingenden Aussage: "Wir kaufen trotzdem!" In den Hallen lächelten unter dem nur die Owner-Operator und Operator aus der Hotellerie. Und es gab brennendere Themen. Zu allem hier Statements aus der Hotellerie.

Die Immobilien-Branche erlebt derzeit den grössten Umbruch seit Jahrzehnten, wie auch der Gang durch die Messehallen zeigte, bei dem man bisweilen eher den Eindruck hatte, sich auf eine Umweltmesse verirrt zu haben. Vor allem in der dort erstmals präsentierten Sonderschau "Expo Real Decarb – make the climate change work," wo die Diskussions-Zuhörer auf Pappkartons sassen und sich Ausstellertische hinter Holzstäben versteckten.


Die Messe hatte dieses Jahr zum ersten Mal ihre Hotel-Konferenz, den Hospitality Industry Dialogue, einem einzigen Thema gewidmet: der Nachhaltigkeit. So zogen diese Themen viele Zuhörer an, wenngleich ausserhalb des Konferenz-Forums andere, brennendere Themen das Sagen hatten.


Nachhaltige Sanierungen, nachhaltiges Bauen und CO2-Reduktion, auch beim Betrieb, dominierten die Diskussionsrunden der Messetage. "Bei der Expansion sind wir nicht ganz da, wo wir sein wollten", erklärte dort etwa Max C. Luscher, CEO Central & Northern Europe bei B&B Hotels. "In allen Übernahmen ist ESG ein immer wichtigerer Bestandteil. Banken fragen bei der Finanzierung, ob es ein Gebäude-Zertifikat gibt." Luscher ist stolz darauf, beim Betrieb seiner Hotels den CO2-Ausstoss gemessen nach Scope 1 bis 2 auf zwei Kilogramm pro Übernachtung heruntergefahren zu haben. "Der Markt liegt hier bei fünf Kilo", erklärte er.



IHG voco Zeal Exeter Science Park UK, Bedroom

Auch IHG will mehr Longstay. Leisure und vor allem ESG, wie hier im Voco Zeal Exeter Science Park in UK. IHG Hotels

IHG voco Zeal Exeter Science Park UK, Bedroom


Und anlässlich der Präsentation des Treugast Rankings stellte Treugast-Geschäftsführer Moritz Dietl u.a. die drei besten Teilnehmer des Rankings beim CO2-Ausstoss innerhalb Scope 1 bis 3 vor: Hier lag Motel One mit 4,8 Kilogramm pro belegtem Zimmer auf Platz 1, gefolgt von a&o Hostels mit 6,1 Kilogramm und Explorer Hotels mit 9,6 Kilogramm. Der CO2-Ausstoss wird künftig eine wichtige Messlatte für Bauherren und Betreiber sein.


Conversions, Conversions…

Trotzdem wurde man in den ersten zwei Messetagen das Gefühl nicht los, dass viele Unternehmen in der aktuellen Krise Massnahmen zur Nachhaltigkeit einfach in die fernere Zukunft schieben. Unter den Hotel-Betreibern hatten andere Themen Vorrang, allen voran die Suche nach Conversion-Möglichkeiten. Diese stehen bei allen Hotelketten hoch im Kurs, wie Europa-Developerin Wilijemin Geels von IHG bestätigt: "Wir haben unser Mindset der Realität angepasst und sind mit allen Marken flexibler geworden. In Dresden beispielsweise entstand im ehemaligen Student Hotel ein Holiday Inn Express. Für diese Marke haben wir ausserdem einen Urban Room entwickelt, der mit 16 qm kleiner ist als das Standard Holiday Inn Express Zimmer mit 18 qm."


Ausserdem fänden Anpassungen bei Holiday Inn, Holiday Inn Express und Voco statt, die jeweils um Suiten für längere Aufenthalte ergänzt werden können und dann den Zusatz "& Suites" erhalten. Zudem möchten man mit Holiday Inn und Holiday Inn Express mehr im Resort-Bereich expandieren, ein Holiday Inn und Voco Resort wurde in Szlarska Poreska in Polen eröffnet, vorstellen könne man sich auch deutsche Standorte in den Bergen oder am Meer. Auf der Messe unterzeichnete IHG zudem ein Indigo und ein Holiday Inn Express in Budapest.


Schlimmer als erwartet

Wären solche Meldungen nicht Teil einer Pipeline aus der Vergangenheit, würde auch in der Krise nur die Sonne scheinen. Was nach aussen wie eine Party aussah, war in Wirklichkeit ein Krisentreffen. "Es ist schlimmer gekommen, als wir uns es vergangenes Jahr vorgestellt haben", so Moderator Prof. Dr. Steffen Sebastian von der IREBS International Real Estate Business School an der Universität Regensburg. Die Politik-Verdrossenheit in Deutschland – dem "starken Mann Europas" ist gross: zu viel Regulierung, keine Investitionssicherheit, schlechte Stimmung zwischen Immobilien-Branche und Bundesregierung… "Am Ende müssen wir immer noch die Hütte verkaufen", so die Formulierung etlicher Gesprächspartner in den Fluren…


Der Transaktionsmarkt ist nahezu zum Erliegen gekommen wegen hoher Zinsen, noch höherer Baukosten und oft fehlendem Eigenkapital. Maria-Teresa Dreo-Tempsch (Berlin Hyp AG) relativierte die Untergangsszenarien. Die Immobilien-Branche müsse anerkennen, dass der Superzyklus vorbei sei und die Wert-Korrekturen akzeptiert werden müssten. Doch dann könne man auch wieder arbeiten und kalkulieren…


Hotellerie schlägt sich tapfer

Die Wohn-Wirtschaft bringt das Fass zum Überkochen: Fehlender Wohnraum und hohe bürokratische Hürden waren ein zentrales Thema der Expo Real – und sozialer Sprengstoff durch steigende Mieten. Demgegenüber können sich Hotel-Immobilien glücklich schätzen, grundsätzlich positiv beurteilt zu werden: Investoren erwarten eine Dynamisierung, da die Performance-Zahlen sehr gut sind – selbst bei einer Verlagerung auf Leisure-Projekte.


Zunehmend ist aber nicht nur ein Objekt – eine Immobilie – im Fokus, sondern auch ein Quartier im Fokus. Was bringt meine Immobilie dem Quartier? Mixed Use ist stark im Kommen: Die Asset-Klasse Büro ist sehr stark unter Druck, trotzdem werden gute, moderne Büros gebraucht, da nicht jeder im Home Office bleiben will oder gar erwünscht ist. In diesem Kontext wird Cradle-to-cradle für Hotels immer wichtiger. Ausserdem fragen immer mehr Investoren wie Mieter nach Zertifizierungen – als eine Art Zusatz-Versicherung für den Immobilien-Wert.


Grundsätzlich sehen Deutsche ihr Land kritischer als internationale Investoren. Insofern ergibt sich eine Verschiebung in den Asset-Klassen: Hotels werden wieder wieder interessanter, dass sie hohe Nachfrage seitens der Gäste haben, und der RevPAR steigt. Im Gegensatz zu leerstehenden Büro-Türmen, deren Miete viele Unternehmen über Nacht nicht mehr zahlen können, liefern Hotels – entsprechend der anhaltenden Nachfrage auf Konsumenten-Seite – relativ verlässliche Forecasts auf viele Monate hinaus, mit dem zusätzlichen "Versprechen", dass die nächste Saison alle KIPs wieder hochheben wird.


Gleichzeitig liegen internationale, kapital-starke Investoren auf der Lauer: Sie warten auf "Schnäppchen" – vor den Türen der Expo Real, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Zinsen, Inflation und Unsicherheit erlauben es in der Tat nur, begehrten Objekten aufzulauern, aber nicht zuzuschlagen.


Die Immobilien-Branche befindet sich als Ganzes inmitten einer tiefgreifenden Transformation. Alle warten unterdessen auf gewisse Boden-Bildung bei den Marktwerten und auf eine Plateau-Bildung bei den Zinsen. Wie sich das auf die Wert-Entwicklung von Immobilien auswirkt, ist geprägt von Unsicherheit. Die deutsche Politik-Prominenz machte sich rar auf der Messe. / map, sst, syk




STATEMENTS AUS DER HOTELLERIE: Wie war die Expo Real 2023?


Fidlschuster Martina, Expo Real 2023

Martina Fidlschuster, Geschäftsführerin der Hotour Hotel Consulting, betrachtet die aktuelle Stimmung mit Skepsis.map

Fidlschuster Martina, Expo Real 2023

Martina Fidlschuster, Geschäftsführerin, Hotour Hotel Consulting: Zweck-Optimismus prägt die Stimmung in der Hotellerie. Projekt-Entwickler weigern sich, die Realität zu sehen. Einige glauben, in zwei Jahren wieder hohe Preise durchsetzen zu können. Die Halter von Bestandsimmobilien beschäftigen sich mit sich selbst und schieben Entscheidungen auf, um keine Verluste zu riskieren. Investment-Häuser befüllen unterdessen ihre "Daten-Räume", um die Immobilien für einen Verkauf, die Rückführung von Kapital, vorzubereiten.


Jörg Boeckeler, CEO, Dorint Hotels & Resorts: Unser Kalender war an dieser Expo Real voll; es war eine wertvolle Messe für uns, ein guter Austausch mit bestehenden und potenziellen Partnern. Wir hatten viele ernste Termine und sehen durchaus eine Verlangsamung in der Umsetzung von Projekten. Dennoch hat man uns viele spannende Projekte angeboten, sowohl für Neubauten wie auch für Mixed Use-Quartiere. Zudem möchten immer mehr Privathoteliers ohne Nachfolge ihre Häuser verkaufen.


Axel Kross, Head of Project Development, Achat Hotels: Projekt-Entwicklungen sind gebremst, Conversion-Angebote kommen hauptsächlich aus dem Büro-Segment. Wir gehen mit, wenn es passt. Ansonsten bevorzugen wir Bestandsobjekte.


Philippe Bijaoui, Senior VP Development Europe & North Africa, Accor: Gottseidank bewegen wir uns in der Hotel-Branche und in keiner anderen Asset-Klasse. Im Jahr 2023 haben wir bisher heute über 60 Hotels in Europa unterschrieben, davon sind 75% Conversions aus bestehenden Hotels und jeder anderen Asset-Klasse. Wir haben dabei noch nie so viele Upscale Brands (wie Pullman oder Mövenpick) wie jetzt. Und natürlich Leisure Hotels.


Thorsten Faasch, Deputy Head of Hotel Services, BNP Paribas Real Estate: Die Situation sieht besser aus als erwartet, aber nur, weil die guten Fundamental-Daten der Hotellerie noch nicht im Transaktionsmarkt angekommen sind.


Thomas Schlieper, Geschäftsführender Teilhaber, Treugast Solutions Group: Das Interesse an Hotels ist höher als das an anderen Asset-Klassen. Im Kern aber geht es immer nur um die Kosten, vor allem um die Baukosten.


Oliver Scholl, Geschäftsführer, Rubus Development: Wir hatten intensive und fokussierte Gespräche – und erlebten genauso viel Jammern. Die Investoren sind derzeit noch sehr verhalten, das wird sich aber in den nächsten 12 Monaten verändern. Die Fonds bereiten inzwischen den Verkauf ihrer Assets vor, um Kapital rückführen zu können. Transaktionen werden wir in der Hotellerie frühestens erst ab Anfang 2024 sehen.


Martin Kemmer, Geschäftsführer, Place Value: Effiziente, zielgerichtete Business Meetings können wir jederzeit über Video-Calls gestalten. Seit Covid aber haben Messen für uns einen anderen Stellenwert bekommen: Es ist das Gespräch abseits des Calls, in einer offenen, freien und persönlichen Weise, die einen Austausch mit vielen neuen Kontakten und potenziellen Partnern bietet.


Roberts David (left), Donavanik Siradej, Expo Real 2023

Expo Real-Premiere für die erste asiatische Hotelkette: Siradej Donavanik, VP Global Development von Dusit Hotels (rechts) und David Roberts, Assistant VP Global Development, freuten sich über die hohe Qualität der Aussteller und der Messe-Besucher. Thailands grösste Luxushotelgruppe setzt den Fuss nach Europa. map

Roberts David (left), Donavanik Siradej, Expo Real 2023

Siradej Donavanik, VP of Global Development, Dusit International: Die Qualität der Betreiber, die wir hier antreffen, ist deutlich höher als jene, die wir international antreffen. Wir finden an dieser Messe einen perfekten Mix aus Ausstellung, Networking-Events und Fachkonferenz, um Investoren, Betreiber oder andere Partner zu finden. In Asien gibt es diese Kombination aus Ausstellung, Konferenz und Networking in der Regel nicht; es beschränkt sich lediglich auf Networking und auf ein paar Diskussionen auf der Bühne, wo jeder teilnehmen möchte. Das Preisleistungs-Verhältnis, das wir hier in München erleben, befindet sich sehr deutlich unter den Preisen in Asien. / map, sst, BB


Weitere Markt-News im Rahmen der Expo Real 2023 finden Sie unter diesem Link.

Autor

red

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