Die Immobilien-Branche erlebt derzeit den grössten Umbruch seit Jahrzehnten, wie auch der Gang durch die Messehallen zeigte, bei dem man bisweilen eher den Eindruck hatte, sich auf eine Umweltmesse verirrt zu haben. Vor allem in der dort erstmals präsentierten Sonderschau "Expo Real Decarb – make the climate change work," wo die Diskussions-Zuhörer auf Pappkartons sassen und sich Ausstellertische hinter Holzstäben versteckten.
Die Messe hatte dieses Jahr zum ersten Mal ihre Hotel-Konferenz, den Hospitality Industry Dialogue, einem einzigen Thema gewidmet: der Nachhaltigkeit. So zogen diese Themen viele Zuhörer an, wenngleich ausserhalb des Konferenz-Forums andere, brennendere Themen das Sagen hatten.
Nachhaltige Sanierungen, nachhaltiges Bauen und CO2-Reduktion, auch beim Betrieb, dominierten die Diskussionsrunden der Messetage. "Bei der Expansion sind wir nicht ganz da, wo wir sein wollten", erklärte dort etwa Max C. Luscher, CEO Central & Northern Europe bei B&B Hotels. "In allen Übernahmen ist ESG ein immer wichtigerer Bestandteil. Banken fragen bei der Finanzierung, ob es ein Gebäude-Zertifikat gibt." Luscher ist stolz darauf, beim Betrieb seiner Hotels den CO2-Ausstoss gemessen nach Scope 1 bis 2 auf zwei Kilogramm pro Übernachtung heruntergefahren zu haben. "Der Markt liegt hier bei fünf Kilo", erklärte er.
Und anlässlich der Präsentation des Treugast Rankings stellte Treugast-Geschäftsführer Moritz Dietl u.a. die drei besten Teilnehmer des Rankings beim CO2-Ausstoss innerhalb Scope 1 bis 3 vor: Hier lag Motel One mit 4,8 Kilogramm pro belegtem Zimmer auf Platz 1, gefolgt von a&o Hostels mit 6,1 Kilogramm und Explorer Hotels mit 9,6 Kilogramm. Der CO2-Ausstoss wird künftig eine wichtige Messlatte für Bauherren und Betreiber sein.
Conversions, Conversions…
Trotzdem wurde man in den ersten zwei Messetagen das Gefühl nicht los, dass viele Unternehmen in der aktuellen Krise Massnahmen zur Nachhaltigkeit einfach in die fernere Zukunft schieben. Unter den Hotel-Betreibern hatten andere Themen Vorrang, allen voran die Suche nach Conversion-Möglichkeiten. Diese stehen bei allen Hotelketten hoch im Kurs, wie Europa-Developerin Wilijemin Geels von IHG bestätigt: "Wir haben unser Mindset der Realität angepasst und sind mit allen Marken flexibler geworden. In Dresden beispielsweise entstand im ehemaligen Student Hotel ein Holiday Inn Express. Für diese Marke haben wir ausserdem einen Urban Room entwickelt, der mit 16 qm kleiner ist als das Standard Holiday Inn Express Zimmer mit 18 qm."
Ausserdem fänden Anpassungen bei Holiday Inn, Holiday Inn Express und Voco statt, die jeweils um Suiten für längere Aufenthalte ergänzt werden können und dann den Zusatz "& Suites" erhalten. Zudem möchten man mit Holiday Inn und Holiday Inn Express mehr im Resort-Bereich expandieren, ein Holiday Inn und Voco Resort wurde in Szlarska Poreska in Polen eröffnet, vorstellen könne man sich auch deutsche Standorte in den Bergen oder am Meer. Auf der Messe unterzeichnete IHG zudem ein Indigo und ein Holiday Inn Express in Budapest.
Schlimmer als erwartet
Wären solche Meldungen nicht Teil einer Pipeline aus der Vergangenheit, würde auch in der Krise nur die Sonne scheinen. Was nach aussen wie eine Party aussah, war in Wirklichkeit ein Krisentreffen. "Es ist schlimmer gekommen, als wir uns es vergangenes Jahr vorgestellt haben", so Moderator Prof. Dr. Steffen Sebastian von der IREBS International Real Estate Business School an der Universität Regensburg. Die Politik-Verdrossenheit in Deutschland – dem "starken Mann Europas" ist gross: zu viel Regulierung, keine Investitionssicherheit, schlechte Stimmung zwischen Immobilien-Branche und Bundesregierung… "Am Ende müssen wir immer noch die Hütte verkaufen", so die Formulierung etlicher Gesprächspartner in den Fluren…
Der Transaktionsmarkt ist nahezu zum Erliegen gekommen wegen hoher Zinsen, noch höherer Baukosten und oft fehlendem Eigenkapital. Maria-Teresa Dreo-Tempsch (Berlin Hyp AG) relativierte die Untergangsszenarien. Die Immobilien-Branche müsse anerkennen, dass der Superzyklus vorbei sei und die Wert-Korrekturen akzeptiert werden müssten. Doch dann könne man auch wieder arbeiten und kalkulieren…
Hotellerie schlägt sich tapfer
Die Wohn-Wirtschaft bringt das Fass zum Überkochen: Fehlender Wohnraum und hohe bürokratische Hürden waren ein zentrales Thema der Expo Real – und sozialer Sprengstoff durch steigende Mieten. Demgegenüber können sich Hotel-Immobilien glücklich schätzen, grundsätzlich positiv beurteilt zu werden: Investoren erwarten eine Dynamisierung, da die Performance-Zahlen sehr gut sind – selbst bei einer Verlagerung auf Leisure-Projekte.
Zunehmend ist aber nicht nur ein Objekt – eine Immobilie – im Fokus, sondern auch ein Quartier im Fokus. Was bringt meine Immobilie dem Quartier? Mixed Use ist stark im Kommen: Die Asset-Klasse Büro ist sehr stark unter Druck, trotzdem werden gute, moderne Büros gebraucht, da nicht jeder im Home Office bleiben will oder gar erwünscht ist. In diesem Kontext wird Cradle-to-cradle für Hotels immer wichtiger. Ausserdem fragen immer mehr Investoren wie Mieter nach Zertifizierungen – als eine Art Zusatz-Versicherung für den Immobilien-Wert.
Grundsätzlich sehen Deutsche ihr Land kritischer als internationale Investoren. Insofern ergibt sich eine Verschiebung in den Asset-Klassen: Hotels werden wieder wieder interessanter, dass sie hohe Nachfrage seitens der Gäste haben, und der RevPAR steigt. Im Gegensatz zu leerstehenden Büro-Türmen, deren Miete viele Unternehmen über Nacht nicht mehr zahlen können, liefern Hotels – entsprechend der anhaltenden Nachfrage auf Konsumenten-Seite – relativ verlässliche Forecasts auf viele Monate hinaus, mit dem zusätzlichen "Versprechen", dass die nächste Saison alle KIPs wieder hochheben wird.
Gleichzeitig liegen internationale, kapital-starke Investoren auf der Lauer: Sie warten auf "Schnäppchen" – vor den Türen der Expo Real, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Zinsen, Inflation und Unsicherheit erlauben es in der Tat nur, begehrten Objekten aufzulauern, aber nicht zuzuschlagen.
Die Immobilien-Branche befindet sich als Ganzes inmitten einer tiefgreifenden Transformation. Alle warten unterdessen auf gewisse Boden-Bildung bei den Marktwerten und auf eine Plateau-Bildung bei den Zinsen. Wie sich das auf die Wert-Entwicklung von Immobilien auswirkt, ist geprägt von Unsicherheit. Die deutsche Politik-Prominenz machte sich rar auf der Messe. / map, sst, syk