Und die Ampel-Koalition in Berlin schafft keinen Konsens. Nur noch 17% der Bürger schenkten der aktuellen Regierung am 17. Januar nach einer Umfrage des Insa Meinungsforschungsinstituts ihr Vertrauen. So gross war die Unzufriedenheit der Bevölkerung noch nie. All das greift inzwischen tief in das deutsche Wirtschaftsleben ein, zu viele Herausforderungen sind nach wie vor ungelöst.
Zur Rezession kommen seit Jahresbeginn weiter gestiegene Preise dazu, etwa durch die gestiegene CO2-Bepreisung. Das alles geschah, weil die Ampelkoalition aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gezwungen war, einen Sparhaushalt vorzulegen (wie in dieser Kolumne berichtet).
Dass die Unzufriedenheit in Deutschland so kulminiert, ist aber nicht nur dem Sparzwang geschuldet, sondern weil es SPD, FDP und Grünen zu keiner Zeit wirklich gelungen ist, eine gemeinsame Erzählung für diese Legislaturperiode zu entwickeln. Solange das Geld floss, konnte jede Partei ihre Klientel bedienen. Der Klebstoff ist jetzt weg und die Koalition steht nackt da.
Die Koalition hat in den Meinungsumfragen erheblich an Zustimmung verloren. Von ehemals 52% bei der Bundestagswahl 2021 sind die Umfragewerte auf 33% gefallen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung glaubt, dass die Regierung 2024 bestehen bleibt, während 41% denken, dass sie scheitern wird.
Kanzler Scholz sieht sich auch persönlich sinkenden Zustimmungswerten gegenüber. Sein Kommunikations- und Führungsstil wird als roboterhaft, unkonkret und emotional distanziert wahrgenommen, was zur allgemeinen Unzufriedenheit beiträgt. Wenn Finanzminister Christian Lindner (FDP), der alle Beschlüsse der Ampel mitgetragen hat, bei der Bauern-Demonstration den Oppositionsführer mimt, dann merkt das Volk ganz schnell, wenn die Regierenden es für blöd verkaufen wollen.
Die wachsende Unzufriedenheit in Sektoren wie der Landwirtschaft ist deutlich erkennbar. Bauern kämpfen gegen neue Auflagen zum Klima-, Umwelt- und Tierschutz und die schnelle Streichung von Subventionen. Diese Herausforderungen führen zu einem Gefühl der Überforderung und zu anhaltenden Protesten, insbesondere unter den Landwirten und unter den Anhängern der Lokführer-Gewerkschaft, die hartnäckig für massive Lohnerhöhungen kämpfen.
Dabei gäbe es vieles aufzuarbeiten, die marode deutsche Infrastruktur ist keinen Deut besser geworden, Bildung findet in Deutschland unter katastrophalen räumlichen Bedingungen statt, leidet auch unter zu wenig Personal und unter einer Bildungspolitik mit leeren Kassen.
Insgesamt steht Deutschland vor einer Zeit der politischen Instabilität und zunehmenden Polarisierung. Die Regierung steht vor der Herausforderung, einen Konsens zwischen verschiedenen Interessengruppen herzustellen. Stattdessen organisiert sich die Mitte der Gesellschaft inzwischen selbst: Das zeigen eindeutig die Demos gegen die unsäglichen "Remigrationsüberlegungen" der AfD, gegen die hunderttausende Menschen auf die Strassen und Plätze ziehen, trotz Winterwetter und nicht nur in Berlin oder Hamburg, sondern auch in vielen kleinen und mittleren Städten der Republik. / Frank Tetzel