Den Anfang machte der Robotik-Experte David Abbink, Professor an der Technischen Universität Delft und wissenschaftlicher Direktor des Forschungs- und Innovationszentrum FRAIM dort. Er forscht mit seinem Team auf dem Gebiet der Mensch-Roboter-Interaktion – wofür er übrigens am vergangenen Freitag mit einem prestigeträchtigen Preis, dotiert mit 1,5 Millionen Euro, vom Dutch Research Council ausgezeichnet wurde.
"Wir bauen ein transdisziplinäres Forschungs- und Innovationszentrum auf, um die Zukunft der physischen Arbeitsprozesse zu gestalten. Das bedeutet, dass wir mehrere akademische Perspektiven wie Robotik, menschliche Faktoren, Design, Arbeits- und Organisationspsychologie, aber auch Ethnografie einbeziehen und diese mit professionellem Wissen und Erfahrungen aus der Arbeitswelt verbinden", so der studierte Maschinenbauer.
Eines der zentralen Themen, die Abbink dabei beschäftigen, ist der Fachkräftemangel, besonders in den kritischen Branchen Pflege, Logistik und Hospitality. Er werde häufig gefragt, ob KI (softwarebasiert) in Verbindung mit Robotik (maschinenbasiert) für dieses Dilemma eine Lösung habe. Eine "Killer-Idee" habe auch er nicht, gibt der Wissenschaftler zu, doch er sieht KI und Robotik als Enabler für eine erfolgreiche Transformation.
Technisch sei vieles schon möglich, wenn es sich um standardisierte Prozesse handle. Aber das sei eben nicht die reale Welt, diese brauche ebenso die soziale Komponente. "Das Ziel besteht nicht darin, Menschen durch Roboter zu ersetzen, sondern zu schauen, wo Roboter die Menschen unterstützen können und so die Produktivität verbessern."
Aus dem Publikum kam ein Beispiel dafür, in welchen Bereichen Automatisierung an Grenzen stösst: die Kreuzfahrt-Industrie. Diese Branche habe vor einigen Jahren darauf gedrängt, Prozesse auf den Schiffen zu automatisieren und dazu beträchtlich Geld in die Entwicklung investiert. Unter anderem sei es um Servicekräfte, Kellner und Barkeeper gegangen. Cocktails mixen? Diese Handgriffe kann man programmieren. Bei einem Pilotprojekt auf einem Kreuzfahrtschiff sei "Kollege Roboter" am ersten Tag die Attraktion und entsprechend belagert gewesen. Jeder habe Fotos gemacht und die Mixkünste auf die Probe gestellt. Doch bereits am zweiten Tag sei der Platz vor der Theke verwaist gewesen, die Gäste orderten lieber beim menschlichen Bartender. Das Problem seien nicht die Cocktails gewesen, sondern die fehlende Aufmerksamkeit und Kommunikation. Ein Roboter kann also kein Gastgeber sein. Er kann sich nicht auf eine Art und Weise engagieren und interagieren, wie es ein Mensch kann. Doch genau das unterscheide ein gutes Hotel von einem grossartigen Hotel. In einem guten Hotel funktionieren die Prozesse verlässlich. Ein grossartiges Hotel hat Menschen, die echte Gastgeber sind.
David Abbink resümiert: Ein Teil der groben Arbeit lässt sich automatisieren. Zwischenmenschlicher Austausch, persönliche Erfahrung und Empathie sind hingegen nicht zu ersetzen. Das Publikum atmete auf.
The Hague: Plädoyer für "sustaining innovation"
Innovation und Nachhaltigkeit gehen häufig Hand in Hand. Deshalb knüpfte Dr. Alexander L. Schmidt, Professor für technologische Innovation an der Hotelschool The Hague, an Abbinks Ansatz an: "Wir sprechen lieber von 'sustaining' innovation, weniger von 'sustainable' innovation." Die "unterstützende" Variante mache das Business von Unternehmen deutlich effizienter und habe höhere Margen zum Ziel.
Wie kann die Hotellerie also die soziale und technische Disruption bewältigen und KI zudem die ökonomische Seite massiv pushen? Im Bereich Robotics müsse man die Replikationsfalle durchbrechen, riet der Hotelexperte als eine Möglichkeit. Als Beispiel für gelebte KI-Erfahrung nannte er den Room Service-Roboter vom aloft Dublin. Butlr, der Roboter von Temi, bringt den Drink oder frische Handtücher an die Tür. Solche Robotertypen sind inzwischen schon in vielen Hotels im Einsatz. Bislang bestand Innovation laut Schmidt zu 90% nur aus Rekombinationen.
Die TU Delft, Hotelschool The Hague und Robo House führen seit Ostern dieses Jahres gemeinsam Feldexperimente durch, die u.a. aufzeigen: Wenn Menschen zwischen Roboter oder Menschen wählen können, beispielsweise beim Check-in, haben sie deutlich höhere Erwartungen an Menschen. Bisher seien Roboter "Doubletten" von Menschen bei der Arbeit. Vor allem für einfache Tätigkeiten würden Roboter eine signifikante Reduzierung der Fehlerquote aufweisen. Auch Mitarbeitende sehen sie inzwischen als hilfreiche Unterstützung.
Die KI kann man aber auch anders nutzen, z.B. für Trainingsvideos, die dem Housekeeping zeigen, in welcher Reihenfolge ein Badezimmer hygienisch und effizient geputzt werden kann. Oder man kann das Upselling von Zimmern über den digitalen Zwilling eines Hotels steuern.
Schmidts Fazit: Robotics und KI sind faszinierend. Und notwendig, denn wenn wir die Technologie verweigern, werden es uns andere vormachen, wie beispielsweise China und erst recht Japan, ganz nach dem Motto "Embrace technology or lose competitiveness".
Vom Accor-Lab direkt in die Lobby
Die Brücke vom Mensch-Roboter-Coworking zum Hotelalltag schlug Sylvain Morgaine, seit zweieinhalb Jahren Vice President des Innovation Lab von Accor. Er stellte Innovationen aus Sicht einer Hotelmarke vor. Das Lab mit seinem Basis-Team aus dreieinhalb Köpfen generiert Start-ups und kooperiert mit Start-ups. Der übergreifende Auftrag von Accor lautet: Alle Innovationen müssen den Umsatz steigern.
Das Team um Morgaine hat seine Projekte in vier Innovationsbereiche aufgeteilt: Hotel Experience, Mobility, Room Experience sowie New Products and Services. Das Gästeerlebnis zu verbessern und ungenutzte Flächen in der Lobby gewinnbringend zu nutzen, ist das Ziel des Connected Fridge-Service, dessen Prototyp im Mercure Paris Montmartre Sacré-Coeur zu finden ist. Mit Drinks und Essen gefüllte Kühlschränke wurden gut sichtbar in der Lobby platziert. Hotelgäste, aber auch externe Besucher, können mit Kreditkarte shoppen. "Bereits nach drei Monaten hat das Hotel mit diesem Service Gewinn erwirtschaftet", erklärt Morgaine.
Ein weiteres Beispiel aus dem Novotel Megève Mont-Blanc, hier ist der Lobby-Shop im Design des Hotels gestaltet. Das Warenangebot ist umfassender, auf Kühlschränke wurde aufgrund der Ästhetik verzichtet. Stattdessen werden Speisen und Getränke im Shop ausgewählt und bezahlt, dann aber an der Hotelbar abgeholt. Bei beiden Konzepten ist der Benefit, dass die Gäste sich unkompliziert bedienen können und das Hotel Zusatz-Einnahmen generiert.
Um die Verbesserung der Guest Experience geht es auch beim Punkt Mobilität – ebenfalls mit zwei Beispielen belegt. Alltheway Luggage Check-in ist eine Art Gepäcktransport de Luxe. Die Gäste sparen sich das zeitraubende Einchecken und die Sicherheitskontrolle am Flughafen, das wird bereits in der Lobby im Hotel erledigt. Reisepass und Ticket genügen. Das ambitionierte Ziel von Accor lautet: "Become the world leader in smart travel journeys". Morgaine: "Ich denke, dass die Passagierzahlen steigen werden. Wir werden mehr und mehr dieser städtischen Drehkreuze brauchen."
Matt Welle: Technologie für Menschen
Die Story hinter der Erfolgsgeschichte der Software-Unicorn Mews erzählte der Co-Gründer Matt Welle (sh. dazu auch unser Interview mit ihm/Relevante Artikel). Was lernte er daraus, was können Hoteliers davon lernen? Erstaunlicherweise hatte er genau so viele "humane" Tipps wie Tech-Tipps. Den Entscheidungsträgern riet er, sich auf Veränderungen einlassen, ein Gleichgewicht zwischen Innovation und operativer Exzellenz finden und vor allem emotionale Intelligenz aufbauen, um talentierte Mitarbeitende zu finden und das Beste in ihnen zu fördern.
"Wir müssen Menschen finden, die Hospitality leben wollen", betont Welle – er hat solche Leute noch nicht in der Branche gesehen. Gäste wollen Authentizität, merkte er an: Deshalb würden auch Mitarbeitende der Gen Z würden immer mehr Wert darauf legen, zu wissen, welche Haltung ihr Arbeitgeber hat. "Sie wollen keine fancy videos auf TikTok, sondern Transparenz und Ehrlichkeit." Das Mews Team ist nach Corona von 200 auf 1.050 Mitarbeiter gewachsen, und er will nur die Besten haben.
Auf was müssen Unternehmen, auch solche wie Mews, in der technologischen Weiterentwicklung künftig achten? Auf den Datenschutz und in Cyber-Sicherheit, antwortete Matt Welle prompt und sehr ernsthaft. Auch wenn es noch so nervig sei, jedesmal bei der Rückkehr zum PC ein Codewort neu einzugeben – es wird halt einfach ein Muss werden. Die Cyber-Kriminalität sei einfach "erschreckend".
Fasziniert war Welle von den Datenbergen, auf denen die Hoteliers sitzen, aber nichts damit anfangen können. Sie sollten lernen, die Daten eines jeden Gastes zu kuratieren, um dessen Profil zu sehen und ihn entsprechend zu mehr Konsum und Loyalität zu bewegen. "Das ist es, was grosse Sprachmodelle tun. Sie liefern uns jede Menge Kontext, den wir dann verdichten können, um ihn den Mitarbeitenden an der Front zu liefern. Ausserdem kann das Suchfeld in einem PMS sehr, sehr leistungsfähig sein. Deshalb haben wir es von Grund auf neu aufgebaut," fügt Matt Welle hinzu.
Was nahmen die HITT-Teilnehmer mit nach Hause? Innovation fokussiert sich nicht mehr allein auf Schnittstellen und Maschinen, die KI rückt den Menschen näher an die Technologie heran – aber auch, um ihn zu entlasten. / BB, kpo, map
Watch it: PLAIN TALK in zwei Videos am Rande des HITT auf www.hitt.world
Ufi Ibrahim von der EAA und der Experte für Nachhaltigkeit und Hospitality, Anthony Williams, sprechen darüber, warum und wie man die Transformation beschleunigen kann.
Dr. Renée Nicole Wagner von Orascom Development und Prof. Graham Miller von der Nova School of Business and Economics Lissabon erörtern, ob heute der Kunde oder der Mensch im Mittelpunkt steht.