
Die jüngste Geisel-Kreation: 'Anna Next Door', eine Suite ausserhalb des Hotels.
München. In der vierten Generation prägt die Familie Geisel heute das Hotel- und Gastronomie-Gesicht Münchens. Viele Gäste wissen gar nicht, dass inzwischen die Brüder Carl, Michael und Stephan Geisel hinter den legendären Privathotels stehen. Sie geniessen einfach nur: im Michelin-gekrönten Restaurant des Leading-Hotels Königshof direkt am Stachus, im jungen 4 Sterne-Design-Hotel Anna gegenüber, im soliden Firstclass-Excelsior mit seiner urigen Vinothek hundert Meter weiter oder im smarten Business-Hotel Cosmopolitan zehn Minuten entfernt. Der Slogan der Geisel Privathotels "17 Sterne, 4 Hotels, 4 Restaurants: 1 Familie" trifft es ohne Übertreibung. Am liebsten würde Michael Geisel seine teuren Gourmet-Restaurants abschaffen, aber sie halten die Hotels attraktiv. Gerne würde er noch weitere Hotels im Herzen Münchens eröffnen, aber die Stadt macht es schwer. Leidenschaftlich plädiert für die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, aber die Gegner halten dagegen. Er wünscht sich noch mehr internationale Gäste in München, aber das Marketing der Stadt lässt zu wünschen übrig. Ein Sommer-Gespräch mit einem qualitätsbewussten deutschen Mittelständler bei einem Glas Wein und japanischen Kreationen auf selbst mitgebrachtem Muster-Porzellan aus Japan.
Den Jetlag nach der Japan-Reise nimmt Michael Geisel gerne in Kauf. Er braucht solche Reisen als Inspiration, schliesslich kocht und experimentiert er selbst leidenschaftlich gern - "aber nur, um nicht abhängig zu werden von den Weisskitteln," fügt er eine Minute später trocken hinzu. Trotzdem hat er den japanischen Gourmet-Koch Tohro Nakamora eingestellt, den er schon seit Monaten bezahlt und im Geisel-Imperium von Restaurant zu Restaurant springen und experimentieren lässt. Das passende Restaurant für diesen Koch hat er noch nicht gefunden - er sucht es noch. "Wissen Sie, entweder Sie haben einen guten Koch und kein Restaurant, oder Sie haben ein Restaurant und finden keinen Koch dazu," kommentiert er diesen "Luxus" lapidar.

Königsklasse: Das Hotel Königshof München gehört zur absoluten Spitze.
"Ein Restaurant in Deutschland wirtschaftlich zu führen, ist gemessen am Aufwand und den Kosten fast nicht möglich," differenziert Michael Geisel und verzieht das Gesicht in kaufmännisch-verzweifelter Manier, um dann vorm nächsten Bissen einzugestehen: Alle Restaurants der Geisel-Hotels laufen abends "auf Vollgas" und sind selbst mittags zu 50 Prozent besetzt.
Das ist das Geisel-Phänomen. Seit über 100 Jahren hat solch pragmatische Denke die Familie mitten in München unternehmerisch überleben und weiter blühen lassen, selbst wenn die drei Brüder bekanntermassen nicht immer einer Meinung sind. Zum Klären von Fragen und Meinungen treffen sich die drei in der Regel jeden Morgen um zehn im Anna-Café. Zwanzig Minuten reichen, um Fragen und Fronten zu klären.
Qualität bleibt das Credo, die Familie das Gold
Auch wenn die Familien-Firma keine Umsatz- oder Profit-Zahlen preisgibt, bezeichnet Geschäftsführer Theodor Gandenheimer die wirtschaftliche Situation als "sehr sehr gut". Die Gastronomie sei das absolute Steckenpferd der Familie, die schon in den dreissiger Jahren den Wein fässerweise importierte. "F&B ist nicht nur Hobby, aber mit der Logis verdient sie ihr Geld," fasst er zusammen. Seit über zehn Jahren begleitet er Familie Geisel, die heute rund 330 Mitarbeiter beschäftigt. Ihm gefällt, dass es nie langweilig wird und dass Qualität über alle Krisen und Excel-Tabellen hinweg das Credo bleibt: Die Geisel Privathotels sind noch eine von wenigen Hotel-Unternehmungen, die noch in allen Hotels mit eigenen Zimmer-Mädchen arbeiten, über eine eigene Stewarding-Abteilung verfügen und eigene Techniker und Handwerker beschäftigen.

Die Vinothek im Firstclass Hotel Excelsior: Feine Gastronomie unter alten Deckenmalereien.
Das Bewusstsein darüber, dass ein qualitätsorientierter, professionell geführter Familienbetrieb in heutiger Zeit Gold wert ist, fand erst 2003 - also erst vor knapp zehn Jahren - seinen Marketing-Ausdruck in der Dachmarke "Geisel Privathotels". Den Ketten geben sie damit Contra, hinter den Kulissen haben sie unterdessen genau wie diese Personal- und kaufmännische Abteilung, Sales und Marketing, Reservierung und PR für alle Betriebe zusammen gelegt.
Und genau wie die Ketten haben auch die Geisel-Hotels mit ihrem Fokus auf Geschäftsreisenden unter der jüngsten Finanzkrise gelitten. "Zum Glück hatten wir das Anna Hotel, als im Königshof die Zahlen rapide einbrachen," erinnert sich Michael Geisel. "2009 war schon der gemeinsame Briefkopf mit dem Luxushotel ein Problem bei Buchungen." Die Privatreisenden hielten die Belegung im Luxushotel noch hoch, auch The Leading Hotels of the World brachten das gewohnte Volumen und insgesamt veränderte sich der Gäste-Mix der Geisel-Hotels seit der Krise nicht. Trotzdem: "Ein Hotel muss bei 100 Zimmer 80% Belegung haben!" fordert Michael Geisel aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht. Und um solche Zahlen zu erreichen und zu halten, betrachtet er nicht nur die Entwicklung in der Stadt München kritisch, sondern auch den übergreifenden, bundesweiten Wettbewerb.
Als Hotelier die Stadt pushen
Berlin beispielsweise wird für ihn als Tagungsdestination zur Konkurrenz von München; deshalb unterstützt er die jüngste Initiative des "Tourismusfonds München", in den Wirtschaftsunternehmen und die Stadt je zur Hälfte erst eine Million, dann zwei Millionen Euro einzahlen werden. Hotels sollen laut Konzept als "Mitgliedsbeitrag" 30 Euro pro Zimmer und Jahr zahlen, bei einer Obergrenze von 300 Zimmern. Ziel des Fonds ist es natürlich die Tourismus-Förderung.

Design in the city: Anna Hotel.
Michael Geisel fehlen die Event-Highlights in der Stadt, er kritisiert den fehlenden Zugang zu repräsentativen, staatlichen Gebäuden wie dem Justizgebäude oder der Residenz, die unzählige hochkarätige Events internationaler Couleur anziehen würden. Ihm fehlt eine aggressivere Vermarktung der nahegelegenen Alpen, durch die man weitaus mehr internationale Gäste locken und halten könnte. Das Potential Münchens sieht er längst noch nicht ausgeschöpft, vor allem auch nicht in der internationalen Flughafen-Anbindung, die für Hoteliers-Familien wie die Geisels überlebenswichtig geworden sind: Wer Routen nach USA oder Asien kappt, kappt das Geschäft für München. Als Unternehmer-Familie in München "müsste man mal ein schwarzes, mal ein rotes Parteibuch haben," frotzelt er mit Blick auf die zeitweise wenig wirtschaftssensiblen Entscheidungen in der Politik.
Und was macht ein Unternehmer, wenn ihm die Stadt nicht hilft? Er hilft sich selbst, mit seinem untrüglichen Gespür für Menschen, Nachfrage und Nischen. Deshalb haben Geisels das "Anna Next Door" geboren: ein diskretes, 150 qm grosses Refugium mit zwei Schlafzimmern und zwei Bädern, 50 Meter neben dem Anna Hotel gelegen, mit separatem, unauffälligem Eingang von der belebten Strasse aus. Solche Adressen suchen Menschen, die auf absolute Privatsphäre bedacht sind. Holz, Stein und Leder in Kombination mit Metall und natürlichen Stoffe, ein Fussboden aus 100jähriger Eiche und ein offenes Bad mit einer riesigen, freistehenden und ungewöhnlich gehämmerten Überlaufwanne, entworfen von dem mehrfach ausgezeichneten bayerischen Bildhauer Stefan Ester.

Business mit Komfort: Junior Suite im Cosmopolitan Hotel.
Weitere Hotels willkommen
Trotz grosser Gastronomie-Leidenschaft kann sich Michael Geisel aber auch noch eine Expansion bei den Hotels vorstellen. Allerdings: Es muss der Synergien wegen ein Haus in München sein. Geschäftsführer Theodor Gandenheimer präzisiert: "Es darf ein kleineres Haus sein, ab 50 Zimmern; es muss zu uns passen. Und wir würden es pachten, nicht kaufen." Von den bisherigen vier Hotels sind zwei im Eigentum der Familie: der Königshof und das Excelsior, beide in Münchens Premium-Lage.
Ausschau nach Neuem halten die Geisel-Brüder immer. Übers Knie brechen müssen sie nichts. Sie können rechnen und sie rechnen konservativ. "Wir möchten immer wieder Hotels machen," schwärmt Michael Geisel am Schluss, "aber ich darf die Substanz nicht durch Neues brechen!". Hotel-Immobilien zu halten, ist für ihn ein absolutes Muss. "Was ist ein Betreiber wert?", fragt er gegen. Management-Verträge könne man schliesslich über Nacht beenden. Nein, die Geisels bleiben, wo sie sind und wie sie sind. "Wir machen es nicht wie andere in der Hotellerie - wir würden nie ein sinkendes Schiff verlassen."
Trendforscher haben für Unternehmen und Menschen wie Geisels einen neuen Begriff parat: Sie sind "glocal" - "global" und "local". Damit liegen die Geisel Privathotels voll im Trend. / Maria Pütz-Willems