Seit 6. April 2022 müssen in Grossbritannien Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden angeben, wie viele Kilokalorien ihre Gerichte beinhalten. Zuvor war die Angabe freiwillig. Die Regelung zielt darauf ab, dass Personen, die ausser Haus essen, über den Energiegehalt ihrer Nahrung aufgeklärt werden und entsprechend weniger Kilokalorien zu sich nehmen.
Um zu erfassen, inwiefern sich die Kalorien-Einnahme durch die gesetzliche Regelung änderte, befragten die Forschenden Gäste von betroffenen Restaurants vor und nach Inkrafttreten des Gesetzes. Diese sollten direkt nach ihrem Besuch dort angeben, ob sie die Kilokalorien-Angabe bemerkt hatten, wie viele Kalorien ihr Gericht beinhaltete und wie viele sie insgesamt zu sich genommen hatten. 6.578 Personen wurden vor insgesamt 330 Verkaufsstellen befragt, darunter Restaurants, Cafés und Fast-Food-Verkaufsstellen.
Label zeigen wenig Einfluss auf die Speisenwahl
Vor Einführung der Regelung nahmen 16,5% der Befragten die Kilokalorien-Menge ihrer Gerichte wahr, nach der Einführung waren es 31,8%. Von denen, die die Angabe wahrnahmen, berücksichtigen vor der Regelung 19% und nach Einführung der Regelung 22% diese, um sich für ein Gericht zu entscheiden – davon wiederum die meisten (87%), um ein kilokalorienärmeres Gericht auszuwählen.
Insgesamt zeigten die Analysen jedoch, dass die Regelung im Schnitt weder dazu führte, dass die Konsumenten Gerichte mit weniger Kalorien bestellen, noch weniger zu sich nehmen. Allerdings wurde der Energiegehalt der Gerichte weniger häufig unterschätzt, wenn auch durchschnittlich nur um 30 Kilokalorien (von 247 auf 217 Kilokalorien).
Kalorienangaben könnten Essstörungen verstärken
Kritisiert wurde, dass Personen, die an einer Essstörung leiden oder litten, durch die Angabe der Kilokalorien in der Bekämpfung ihrer Erkrankung zurückgeworfen werden könnten oder sich diese verschlimmern könnte.
Das Science Media Center (SMC) hat Experten befragt, warum die Massnahme im Schnitt nicht zu einer geringeren Kilokalorien-Einnahme geführt hat, inwiefern sie trotzdem Vorteile, aber auch Nachteile mit sich zieht und welche anderen Mittel erfolgsversprechender sein könnten.
Prof. Dr. Hans Hauner, Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München (TUM), erklärt: "Diese Studie hat den grossen Vorteil, dass sie versucht hat, alle wichtigen Anbieter von Ausser-Haus-Mahlzeiten wie Restaurants, Café-Ketten, Systemgastronomie und Pubs einzubeziehen, um damit einen breiteren Überblick über die Effekte einer Mahlzeiten-Kennzeichnung zu gewinnen. Die Erhebung wurde in verschiedenen Regionen durchgeführt, sodass sie als halbwegs repräsentativ angesehen werden kann." Allerdings gelte die Regelung nur für Unternehmen, die mindestens 250 Mitarbeiter beschäftigen, was keine Abdeckung des gesamten Angebots erlaube.
Ampel-Symbole besser als Kleingedrucktes
Dr. Peter von Philipsborn, Teamleiter am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), gibt zu bedenken, dass der Erfolg einer solchen Massnahme davon abhänge, wie gut Kennzeichnungs-Regeln tatsächlich umgesetzt werden. "Im Fall des Kalorien-Labelings in Grossbritannien wurde festgestellt, dass zwar 80% aller Restaurants irgendeine Form von Kalorienangabe verwendeten, aber nur 15% die Vorgaben zur Darstellung vollständig erfüllten. Zum Beispiel waren die Kalorienangaben in einem knappen Drittel aller Restaurants unleserlich."
Insgesamt zeige sich, dass Lebensmittel-Label vor allem dann wirkten, wenn sie ohne viel Vorwissen einfach und intuitiv zu verstehen seien. "Beispiele sind Ampel-Kennzeichnungen wie der Nutri-Score, oder auch die in Lateinamerika verbreiteten Warnhinweise in Form von schwarzen Stoppschildern auf Lebensmitteln mit viel Zucker, Fett und Salz. Wichtig ist auch, dass die Label gut sichtbar und ausreichend gross sind. Kleingedruckte und oft sogar unleserliche Kalorienangaben erfüllen diese Kriterien nicht."
Die Ergebnisse der Befragung sind im Fachjournal "Nature Human Behaviour" erschienen. / red