Das Event, das zu Beginn dieser Woche stattfand, war ein eindrucksvolles Miteinander von Experten aus der Hospitality-Branche, dem Immobiliensektor, der Investment-Branche, der Hotel-Operation, von Zulieferern und Forschern.
Jeder Sprecher brachte wertvolle Perspektiven ein und trug zu einem tieferen Verständnis im Hinblick Nachhaltigkeit und Innovation innerhalb der Branche bei. Das Event war ein grosser Erfolg und die Atmosphäre in der Scheune sorgte für ein Gefühl der Kameradschaft und des offenen Austauschs. "Was in der Scheune gesagt wird, bleibt in der Scheune", lautet das Motto. Direkt an der Amstel, zwischen Gewächshäusern, Kunst und ökologischen Anbauflächen war kein Platz für Egos, PR & Werbung, es wurde Klartext geredet. Die Beiträge aller Sprecher verhalfen vielen Teilnehmern zu neuem Wissen und neuer Inspiration, um Nachhaltigkeit in ihren eigenen Unternehmen voranzubringen.
"Halten Sie Ihre Nachhaltigkeitsstrategie vom Marketing-Team fern," warnte gleich zu Anfang Ufi Ibrahim, Chief Executive der EEA (Environment and Energy Alliance, ein Club gleichgesinnter Investoren). Ihr zur Seite ein Investor: Luc Boschmans von Tristan Capital Partners, der in der Hotellerie durchaus nachhaltige Partner sieht – und gerne mit ihnen am runden Tisch sitzt. Allerdings machte er darauf aufmerksam, dass beide Parteien unterschiedliche Daten benötigen. Momentan führt genau das zu einem Auseinanderdriften von Eigentümern und Betreibern, weil jeder vom anderen das Offenlegen von Daten fordert. Die Investoren/Eigentümer sehen sich jedenfalls als Power-Paket an – weil der Finanzmarkt ihnen Daten abverlangt. Haben sie keine, können/wollen sie keine Investments mehr tätigen.
"Es dreht sich alles um Daten und flexible Verträge," merkte Heidi Schmidtke von der JLL Hotels & Hospitality Group später in ihrem Vortrag zu Asset Risiken an. Sie rechnete den Anwesenden genau vor, wie sich traditionelle und "grüne" Finanzierungen und Bewertungen voneinander unterscheiden.
Helft der Branche, in Würde zu sterben
Mit spannenden Runden im Klartext sollte es weitergehen. Graham Miller, Professor für Nachhaltigkeit an der Nova School of Business in Lissabon, tauchte in der nächsten Runde tief in die Konzepte von "Greenwashing" und "Greenwishing" ein. Er erklärte, dass die Unternehmen beim Greenwashing ihre Umwelt-Aktivitäten regelrecht übertreiben, um die Verbraucher zu täuschen. Diese Praxis wird nun von der Green Claims Directive ins Visier genommen, die die EU-Länder verpflichtet, solche Unternehmen innerhalb von zwei Jahren strafrechtlich zu verfolgen. Er hob die Bedeutung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) hervor, die ab diesem Jahr Unternehmen dazu verpflichtet, ihren Impact auf die Umwelt zu melden.
Dem "Greenwishing" stand Miller besonders kritisch gegenüber und bezeichnete es als "naiven Glauben, dass kleine Veränderungen der aktuellen Praktiken ausreichen, um die Nachhaltigkeitsziele der Zukunft zu erfüllen". Er betonte, dass nur bedeutsame, systemische Änderungen dazu führen, die erforderlichen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Er zitierte Johan Rockströms' Rahmen der planetaren Grenzen und warnte davor, dass bereits "viele Umweltgrenzen überschritten wurden, was unmittelbares Handeln erforderlich macht".
Miller hob ausserdem hervor, dass es wichtig ist, über das blosse Messen von Nachhaltigkeit hinauszugehen und endlich zu handeln. Er kritisierte, sich auf die Technologie als "Allheilmittel" zu verlasen und sagte, "der technologische Fortschritt muss zehnmal schneller sein als in der Vergangenheit, um einen echten Unterschied zu machen". Er ist der Meinung, dass Nachhaltigkeit das Hauptziel sein muss und die Wirtschaft entsprechend angepasst wird, um dieses Ziel zu erreichen – nicht andersherum.
Mit Blick auf die Zukunft forderte Miller die Unternehmen auf, Werte nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern auch unter sozialen und ökologischen Aspekten neu zu definieren. Er plädierte dafür, dass die Unternehmen den Wandel anführen, statt sich diesem nur anpassen sollten, um so Innovation und Zusammenarbeit in den Branchen zu fördern. Sein provokativstes Statement war: "Wir sollten der Branche helfen, in Würde zu sterben." Positiv ausgedrückt heisst das, die Branche muss sich selbst neu gestalten. Diesem Gedanken folgte eine lebhafte Diskussion über radikales Denken.
Der Wert im Inneren des Materials
Die Kreislaufwirtschaft ist eine der neuen Wege hin zu einer neuen Welt der Wertschöpfung und Profitabilität. Drei Experten zeigten auf, wie dies erreicht werden kann. Pablo van den Bosch, Mitbegründer von Madaster, teilte sein Wissen über nachhaltiges Daten-Management und der Bedeutung von Transparenz in der gebauten Umgebung.
Madaster dient als Register für Produkte und Materialien in der gebauten Umwelt und umfasst Gebäude, Immobilien und Infrastruktur. Die Plattform konzentriert sich auf die gesamte Lieferkette, vom Design und Bau bis hin zum Abriss. Die Plattform hat über tausend Kunden und verwaltet mehr als 25 Millionen Quadratmeter registrierter Fläche. Madaster erleichtert das Compliance-Reporting und kümmert sich um den Umgang mit den verschiedenen Nachhaltigkeitsstandards und -vorschriften. Die Plattform ist mit über 75 Datenbanken für die Environmental Product Declaration (EPD) verbunden und sorgt so für eine umfassende Integration von Daten. "Der wahre Wert liegt in den zugrunde liegenden Daten."
Die von Madaster bereitgestellten Pässe sind auf verschiedenen Ebenen verfügbar, darunter auch für individuelle Produkte, Gebäude und Investment-Portfolios. Bis zum Beginn des nächsten Jahres möchte Madaster Pässe für alle Gebäude in den Niederlanden erstellen und dies anschliessend auf Deutschland, Belgien und darüber hinaus ausweiten. "Unser Hauptziel ist, Veränderung durch das Erreichen von Netto-Null voranzubringen". Pablo betonte, dass es zu spät sei, bis 2050 zu warten.
JoAnna Abrams, CEO des in Oregon ansässigen Daten-Unternehmen MindClick, konzentrierte sich auf die Bedeutung von Produkt-Intelligenz in Verbindung mit Lieferketten für Hotels. Die Plattform bewertet Produkte über ihren Lebenszyklus und hilft Hotels, informierte Entscheidungen zu treffen, um deren Ziele bei der Nachhaltigkeit und in der Kreislaufwirtschaft zu unterstützen. Die Plattform nutzt ein Bewertungssystem mit "gut", "besser", "am besten", um verschiedene Produkte und ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu bewerten.
Abrams hob hervor, wie MindClick Zulieferer und Verkäufer mit den Hotel-Anforderungen verbindet und dafür sorgt, dass Produkte die vorgeschriebenen Voraussetzungen und Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Ihre Plattform bewertet Produkte zu jedem Zeitpunkt im Lebenszyklus und konzentriert sich auf die Reduzierung von CO2-Emissionen, von Müll und die Verbesserung der Kreislaufwirtschaft.
Gesa Rohwedder vom Projektmanager Drees & Sommer unterstrich, wie wichtig es ist, finanzielles Zaudern zu überwinden und das Thema Nachhaltigkeit innerhalb des Hospitality-Sektors geeint anzugehen. Ihre Einblicken zufolge sind sofortiges Handeln und ein grösseres Engagement seitens der Stakeholder erforderlich, um für langfristige Nachhaltigkeit und die Einhaltung der Compliance zu sorgen.
Rohwedder schilderte das allgemeine Szenario, in dem Betreiber und Eigentümer sich die Verantwortung hin und her zuspielen und sich keiner nachhaltigen Praktik voll und ganz verschreibt. Dieses Zuschieben der Verantwortung führt zum Ausbleiben von entscheidenden Schritten hin zur Nachhaltigkeit. Sie erzählte von ihrer Erfahrung aus ihrer Arbeit mit Kunden hinsichtlich des Erstellens von Design-Richtlinien, die Nachhaltigkeit beinhalten. Bei diesen Workshops fragt sie häufig, "Wie soll Nachhaltigkeit Ihrer Meinung nach aussehen?" Diese Frage zeigt unterschiedliche Definitionen und Stufen beim Engagement im Hinblick auf die Nachhaltigkeit unter den Stakeholdern auf.
Die Emissionen von Immobilien
Julia Wein von CRREM, dem Carbon Real Estate Risk Monitor, sprach über das Management der CO2-Emissionen von Immobilien. Sie merkte an, dass die hohen Kosten für Materialien mit grossem CO2-Fussabdruck, wie beispielsweise Stahl, aufgrund der strengeren CO2-Bepreisung im Rahmen des EU Emissions Trading System (ETS) bis 2027 weiter steigen werden. Wein erklärte zudem, dass Häuser zu den gestrandeten Assets zählen, die sich nicht an die neuen Umwelt-Vorschriften und Markt-Anforderungen anpassen und dadurch eine Abwertung riskieren.
Sie betonte die wachsende Bedeutung der Recycling-Fähigkeit von Materialien und dem verbauten CO2 bei Gebäude-Bewertungen. Wein beschrieb zudem, wie CRREM detaillierte Pässe zu den Baumaterialien (building material passports) bereitstellt, alle Materialien und deren CO2-Fussabdruck katalogisiert. Dies hilft beim Management und der Planung eines niedrigeren CO2 Impact. Sie erklärte, wie wichtig die Integration von Daten aus unterschiedlichen Quellen ist, um ein umfassendes Bild des CO2-Abdrucks eines Gebäudes zu erhalten. Und sie sagte, wie wichtig die Umstellung auf eine Netto-Null-Wirtschaft bis 2030 ist, um schwerwiegende Folgen für die Umwelt zu verhindern. Die Zusammenarbeit mit Herstellern, um nachhaltige Geschäftsmodelle umzusetzen, sei entscheidend.
Nachhaltige Daten
Alina Arnelle, Chief Sustainability Officer von BeCause, betonte die Wichtigkeit der Auswahl spezifischer Datenpunkte und Methoden, die von NGOs (Nichtregierungs-Organisationen), Investoren, Betreibern und Lieferanten bereitgestellt werden. Sie hob hervor, dass Mitarbeiter geschult werden müssen, um diese Methoden zur zuverlässigen Nachhaltigkeits-Berichterstattung konsequent anzuwenden. Arnelle unterstrich ausserdem die Notwendigkeit verifizierter (Original-)Daten und deren Akkuratesse innerhalb der Wertschöpfungskette. Der Einsatz von Technologie minimiere menschliche Fehler bei der Beurteilung der Datenrelevanz. Die Standardisierung von Datenpunkten trägt zur Schaffung glaubwürdiger Leistungsindikatoren bei. Kontinuierliche technologische Integration und Benchmarking ermöglichen die Bereitstellung verlässlicher Daten und Erkenntnisse, die die Nachhaltigkeitspraktiken verbessern.
BeCause sammelt und managt als Plattform Nachhaltigkeitsdaten effizient und integriert diese nahtlos und ohne redundante Dateneingaben in verschiedene Rahmenwerke. Das Technologie-Startup aus Kopenhagen entwickelt ein Modell, das u.a. hunderte bestehender "grüner Labels" zusammenfasst und harmonisiert – von Hotels und Hotelgruppen bis hin zu Partnern im Gastgewerbe und OTAs. 2027 wird die EU-Kommission den Zertifizierungsdschungel lichten.
Zusammenfassung: Tag 1
Gesa Rohwedder zog eine Bilanz der Fakten und Emotionen des ersten HITT-Tages: "Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst, aber dem Willen zur Umsetzung und zum Durchhalten stehen oft finanzielle Hürden im Weg. Eine wesentliche Herausforderung in unserer Branche ist die Fragmentierung der Asset-Klasse, der Stakeholder und des Interesses. Nach der heutigen Konferenz bin ich jedoch umso mehr überzeugt: Hört, Leute, wir müssen jetzt anfangen." / SD, BB, map
Eine Zusammenfassung von Tag 2 des HITT Amsterdam folgt nächste Woche.
- DIE BILDER-GALERIE zum HITT 2024 finden Sie auf der HITT Microsite.