Mehr Spass als Arbeit: Azubi-Hotel in Berlin

Mehr Spass als Arbeit: Azubi-Hotel in Berlin

Mehr Spass als Arbeit: Azubi-Hotel in Berlin
Kevin und Melanie stehen im Azubi-Hotel am Empfang und managen dort alles rund um die An- und Abreise der Gäste. / © Andy Rumball

Im Turbo vom Auszubildenden zur Fachkraft: Hinter dem ersten "Azubi Hotel" von Living Hotels in Berlin steht ein detailliertes Konzept mit intensiver Vorbereitung für die Nachwuchskräfte wie auch für die Arbeitgeber. Ein Gastbeitrag von Living Hotels.

5.30 Uhr ist Dienstbeginn für Sophie Cyriax, Chefin der Frühstücksabteilung, und ihr Team: Buffet anrichten, Kaffeemaschine anwerfen, Tische eindecken, so dass alles auf den Punkt fertig ist, wenn die Morgengäste kommen. Ab 6.30 Uhr koordiniert Alexander Tsankow das Reinigungsteam, prüft mit Adleraugen jedes Zimmer und legt auch schon mal selbst Hand an, dass ja alles sitzt und passt. Und für Nisan Polat, die Empfangsleitung, ist ab 7 Uhr Stosszeit an der Rezeption: An- und Abreisen koordinieren, Rechnungen ausstellen, eingehende Reservierungen einbuchen und jeden Gast mit einem Lächeln begrüssen.


Normaler Hotelalltag? Von aussen betrachtet schon, von innen nicht, denn die drei Hotelchefs sind 19, 26 und 23 Jahre jung. Das Durchschnittsalter des Hotel-Teams liegt bei 21 Jahren. Wie das? Willkommen im Azubi-Hotel. Im ersten Azubi-Hotel der Living Hotels hierzulande, in dem seit Ende Oktober 13 Auszubildende eigenverantwortlich das Sagen haben und für den Arbeitsmarkt als Fachkräfte fit gemacht werden, weil sie hier Praxiswissen lernen und Erfahrungen sammeln, die so in keinem Lernplan stehen.


Neue Ideen braucht das Land

Fachkräftemangel in Deutschland. Davor warnte das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bereits 2009. Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach diesen Oktober von 700.000 offenen, gemeldeten Stellen. Immer weniger Auszubildende in Sicht. Dafür immer mehr Studierende. Laut Statistischem Bundesamt sind die Ausbildungszahlen dieses Jahr "auf einem historisch niedrigen Niveau". Die Deutsche Industrie- und Handelskammer meldete mehr als 30.000 unbesetzte Stellen, dies entspricht 38% der Ausbildungsplätze in Hotel- und Gaststättenberufen.

Azubi Hotel Team

Insgesamt 13 Azubis sind in Berlin am Werk - und voll motiviert. Andy Rumball

Azubi Hotel Team

Mit Ideen, die dafür stehen, dass gerade Ausbildung null out, sondern maximal in und zukunftsfähig ist. Mit Initiativen, die in die Zeit passen, die motivieren und die nicht auf dem Reissbrett, sondern für die Mitarbeiter gedacht und gemacht sind.


Genau dieser Gedanke steht hinter dem Leuchtturmprojekt "Das Azubi-Hotel" der Living Hotels. Die Münchner Hotelgruppe mit 18 Häusern in neun Städten in Deutschland, Österreich und Südafrika hat die Causa Mitarbeiter und Nachwuchsarbeit schon seit Jahren ganz oben auf ihrer unternehmerischen Agenda platziert. Ihre 82 Ausbildungsplätze sind voll besetzt. 


"Mit der Thematik Fachkräftemangel sind wir innerhalb der Hotellerie schon lange konfrontiert. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass die bisherigen Ansätze in unserer Branche nicht von Erfolg gekrönt waren, weil sie nicht an der Ursache ansetzen", sagt Max Schlereth, Geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Derag Livinghotels AG & Co.KG. "Darum stellen wir unsere Mitarbeiter in den Mittelpunkt unseres Tuns. Wir bestärken und fördern sie in sich selbst und ihren persönlichen, sie ausmachenden Eigenarten. Das ist ein wichtiger Teil unserer Identität als Familienunternehmen. Auf keinen Fall machen wir aus den Menschen das, was wir brauchen. Dieser Weg des Mehrwerts und der Persönlichkeitsentwicklung fängt bei uns bei der Ausbildung an."

Das Azubi-Hotel motiviert und prägt 

Mit dem ersten Azubi-Hotel der Living Hotels in Deutschland will die Hotelgruppe der nächsten Generation die Chance geben, sich auszuprobieren, viel zu lernen und darüber hinaus auch für die eigene Branche eintreten und dabei neue Massstäbe in der Ausbildung setzen.


Und so führen seit Ende Oktober Sophie, Alexander und Nisan gemeinsam mit ihren Teamkollegen Melanie, Kevin, Kanto, Gloria, Valentin, Dusko, Muhammed, Jonathan, Tram und Kimberly das Living Hotel Berlin-Mitte mit 58 Zimmern in Eigenregie. 13 Auszubildende sind sechs Wochen lang ihr eigener Chef im Haus, schreiben Dienstpläne, führen Bestellungen durch, lernen ein Team zu führen, Entscheidungen zu treffen und eigenständig unter realen Bedingungen das Hotel zu verantworten.


Dafür konnten sich seit April dieses Jahres aus allen Häusern in Deutschland und Österreich sämtliche Azubis ab dem 1. Lehrjahr mit Start im Frühjahr 2023 bewerben und u.a. in einem Motivationsschreiben begründen, warum sie teilnehmen möchten. Ein 5-köpfiges Gremium um Ausbildungsleitung Sophia Pfundstein, die das Projekt, das einen immens hohen koordinationstechnischen Aufwand und jede Menge Manpower erforderte, über ein Jahr vorbereitet hat und federführend umsetzt, wählte die lucky 13 in Absprache mit den jeweiligen Hoteldirektoren und Ausbildern aus. Bevor es für alle nach Berlin ging, folgte eine rund sechsmonatige Vorbereitungsphase mit persönlichen wie virtuellen Lernsessions, Führungscoachings, Onboardings, Vorbereitungs-, Kennenlern- und Fragerunden.


"Das Azubi-Hotel haben wir schon seit mehreren Jahren auf der Agenda. Jetzt aber war die Zeit reif dafür, nicht zuletzt, weil der neue Lehrplan der IHK für Ausbildungsberufe im Gastgewerbe nun zum ersten Mal darauf abzielt, dass auch Führungsfähigkeiten erlernt werden. Und nie lernt man mehr, als wenn man etwas selbst erlebt und sich erarbeitet", sagt Sophia Pfundstein. "Das echte Lernen geschieht nur dann, wenn etwas schief geht."


Dass dabei Fehler passieren, ist für alle fest einkalkuliert, auch für Max Schlereth. "Am besten lernt man, wenn man etwas falsch macht. Wir wollen unseren Azubis hier die Chance geben, Fehler zu machen. Etwas beigebracht zu bekommen und das einzuüben, das ist natürlich auch eine Form des Lernens. Aber echtes Lernen passiert, wenn etwas daneben geht, weil man dann reagieren muss und schnell merkt, was funktioniert und was nicht." 

Azubi Hotel Breakfast Service

Auch das Frühstück gehört zum Verantwortungsbereich der Auszubildenden. Fehler dürfen hier - wie in allen anderen Bereichen - passieren. Das ist Teil des Lernprozesses. Andy Rumball

Azubi Hotel Breakfast Service



Bevor es aber um "Leib und Leben" geht, stehen auf der anderen Strassenseite im Living Hotel Grosser Kurfürst Klaus Pfeiffer, einer der erfahrensten Direktoren mit über 30 Jahren Ausbildungsexpertise, und sein Team als Schutzsiegel und unsichtbar-dauerpräsentes Backup bereit. "Der Schutz der Auszubildenden steht für uns natürlich an oberster Stelle", so Pfeiffer. Vor diesem Hintergrund wohnen auch alle 13 unter einem Dach in eigenen Apartments. Das Azubi-Hotel ist keine Dependance des Grossen Kurfürst gegenüber, sondern eines von drei Living-Hotels in Berlin.


Die 13 Nachwuchs-Hoteliers, die für die Zeit im Azubi-Hotel von ihren regionalen Berufsschulen freigestellt sind, haben vor Ort im Dienstplan einen Berufsschultag pro Woche im Selbststudium. Ferner erhalten sie tägliche Workshops, Trainings on the Jobs und Schulungen von Ausbildern, die dazu im wöchentlichen Turnus extra aus anderen Häusern anreisen. Ebenfalls auf dem Berlinplan: Freizeit und Team Building-Aktionen nach Dienstschluss, um den jungen Hotelchefs auf Zeit die Wochen in der neuen Stadt so einprägsam und unvergesslich wie möglich zu gestalten.


Die jungen Leute verteilen sich auf die klassischen drei Abteilungen Frühstück, Housekeeping und Empfang. Sie kümmern sich um alles ausser die Zimmer-Reinigung und Nachtschicht, also um alles vom ersten Gästekontakt an über Checkin/-out, Abrechnungen, Reservierungen, Gäste-Handling, weiter über die Bestellungen und den gesamten Ablauf fürs Frühstück und das Haus bis hin zur Organisation von Reparaturen, wenn die Kaffeemaschine mal ausfällt…


Im Housekeeping kümmert sich das zuständige Azubi-Team um die Koordination der An- und Abreisezimmer mit den Reinigungskräften, kontrolliert diese nach Fertigstellung und legt dann in den Zimmern durchaus auch selbst Hand an, falls etwas nicht passt oder fehlt, wie z.B. das Welcome-Arrangement, das sie übrigens selbst zusammenstellen – vom Dekokissen und Bettläufer über Blumen und die Welcome Card bis zur Etagère mit Obst und Gebäck). Vor zwei Wochen war die Azubis sogar gefordert, ein Zimmer in eine Hochzeitssuite umzudekorieren…


Selbst wenn Fehler toleriert werden, muss der Gast am Ende zufrieden sein. Er bezahlt den regulären Preis, der bei 85 Euro plus 14 Euro Frühstück beginnt und in Spitzenzeiten auch bei 350 Euro liegen kann.


Mehr Spass als Arbeit 

Und wie kommt das Azubi-Hotel und das Pilotprojekt, das übrigens kein Einzelfall bleiben soll, nach den ersten Wochen bei allen an? Heimweh? Frühstück ohne Brötchen? Reservierung ohne Bestätigung? Dazu Sophia Pfundstein "Es läuft richtig gut. Es gab in drei Wochen nicht eine Gästeservice-Beschwerde. Für die meisten Auszubildenden ist es ja das erste Mal, dass sie so lange von zuhause weg sind, aber alle sind fröhlich und enorm motiviert. Unsere erste Azubi-Hotel-Generation hat ein hohes Verantwortungsbewusstsein, alle wollen ihre Sache gut machen und sind mit Eifer bei der Arbeit." 

Damit alles rund läuft, sind Absprachen wichtig. Wie hier beim Frühstücksservice, den Sophie Cyriax leitet.

Damit alles rund läuft, sind Absprachen wichtig. Wie hier beim Frühstücksservice, den Sophie Cyriax leitet. Any Rumball

Damit alles rund läuft, sind Absprachen wichtig. Wie hier beim Frühstücksservice, den Sophie Cyriax leitet.

Das sieht man nicht zuletzt daran, dass sie aktiv auch eigene Vorschläge einbringen: beispielsweise die eingeführten Feedback Meetings, um Abläufe zu optimieren und die Kommunikation für alle transparent zu halten. Oder auch die vielen Content- und Story-Ideen für die unternehmenseigenen Social Media-Accounts, die die 13 für die Zeit des Azubi-Hotels komplett übernommen haben und selbst produzieren.

Und Frühstückschefin Sophie Cyriax ergänzt: "Am Anfang war es schon echt stressig, vor allem, weil alles neu und frisch war und ich diese ganzen Bestellungen, wann was kommt bzw. geordert werden muss im Kopf haben musste. So wie ich hat jeder von uns an seiner eigenen Front zu tun gehabt, aber wir waren auch überzeugt, dass wir das hinkriegen. Und jetzt fühlt es sich schon ganz selbstverständlich an und macht Spass. Auf alle Fälle viel mehr Spass, als es sich nach Arbeit anfühlt." / kn 



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