Ein grosser Experten-Pool tauschte sich darüber vor Wochen bei der 5. Fachtagung des Center Smart Commercial Building auf dem Campus der RWTH Aachen aus. Die Transformation müsse begleitet werden von einem positiveren Verständnis von Wandel, auch wenn es ein Auf und Ab gäbe. Und diese beiden Herren berührten sofort einen wunden Punkt: Dr. Denis Krechting, Leiter Center Smart Commercial Building, wie Prof. Dr. Gerhard Gudergan, Head of Research Division bei dem Campus-angegliederten Verein FIR (Forschung, Innovation, Realisierung), machten klar, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit nur dann gut funktionieren, wenn nicht jeder seine Meinung durchsetzen wolle, sondern den Mut zu Neuem wage.
Das gelte auch für die Politik, appellierten sie an diese: Sie müsse Verordnungen auf ihren Sinn prüfen und zu enge Regeln überdenken. Das betrifft vor allem Themen wie Brand-, Schall- oder Denkmalschutz. Diese senken die Kosten und entzerren den Zeitdruck.
Nachfrage treibt Mut zur Umsetzung
Den Tagungsteilnehmern war die Bedeutung des Duos Nachhaltigkeit und Digitalisierung durchaus bewusst. Die veränderte Nachfrage vor allem von Investoren-, aber auch von der Nutzerseite, hat ihnen gezeigt, dass dieses Duo ein wichtiges Entscheidungskriterium geworden ist. Eine gute Umsetzung auf der Immobilienseite sehen und spüren Hotelgäste und Mieter genauso wie Unternehmen und Angestellte.
"Wir sprechen über Immobilien mit Köpfchen", dockte Klaus Dederichs, Chef der Abteilung Information and Communication Technology bei Drees & Sommer, scherzhaft an: Künstliche Intelligenz verknüpft alle technischen Anlagen, Sensoren sowie Planungs-, Betriebs- und Nutzerdaten miteinander und steuert so die Prozesse im Gebäude in optimaler Weise. "Das zahlt sich schon mittelfristig aus", meint Dederichs.
Digitalisierungsgegner verweisen dagegen immer auf das höhere Risiko von Miet- und Pachtausfällen vor allem bei den teureren Smart Buildings. Stimmt das? Nicht, wenn man es richtig macht, waren sich die Branchenexperten in Aachen einig. Nachhaltige, smarte Gebäude seien durchaus rentabel, so ihr Tenor, denn sie werden durch technische Verbesserungen nicht nur viel CO2, sondern auch mittel- bis langfristig Geld sparen.
Beispiel aus der Büro-Stadt
Dabei muss es sich nicht zwingend um eine seelenlose Investoren-Architektur handeln, zeigte ein Refurbishing-Beispiel aus der Praxis, das Holger Hosang, Managing Partner beim Investment-Manager Sonar Real Estate aus Hamburg vorstellte. Das elfgeschossige Büro-Gebäude in Frankfurt-Niederrad, 2001 entworfen vom Architekturbüro Auer+Weber (München/Stuttgart), gibt sich zeitlos. Seinen Namen "Prisma" erhielt es aufgrund des spitz zulaufenden Grundrisses und der grossen, durchgehenden Glasfront. Das Gebäude verfügt über 42.450 qm Mietfläche, mit einem riesigen, aber kaum genutzten Atrium, sowie über 450 Tiefgaragen- und 61 Aussenstellplätze. "Die Qualität des Gebäudes ist extrem hoch, die Flächen sind grosszügig bemessen", so Hosang.
Sonar Real Estate stand nach dem Gebäudekauf vor der Frage, wie sie den Standort nachhaltig und gleichzeitig wirtschaftlich entwickeln können. Ihre These: Ein Abriss und ein Ersatzneubau ist aus Klimasicht nicht die beste Lösung. Über den gesamten Lebenszyklus hinweg könnte sich eine Sanierung unter dem Strich rechnen, selbst wenn dadurch nicht die ambitioniertesten Effizienz-Standards erreicht werden können. Ihnen half dabei ihr langjähriger institutioneller deutscher und angelsächsischer Erfahrungshintergrund.
Und so war schnell klar, bei der Repositionierung spielte auch die Öffnung des Hauses hin zum heutigen Lyoner Quartier eine Rolle. Die bisherige "Bürostadt Niederrad" am Rande Frankfurts steht inzwischen für einen gelungenen Wandel von der monofunktionalen Nutzung zu einem gemischt-genutzten Quartier: Wohnen, Leben und Arbeiten sollen hier langfristig miteinander verschmelzen, und dabei neue Massstäbe in puncto Nachhaltigkeit, Lebensqualität und Infrastruktur setzen. Von daher war für Sonar Real Estate klar, es sollte ein ESG-Leuchtturm-Projekt werden.
Man nahm sich drei Monate Zeit, um das Gebäude von Grund auf zu verstehen, brachte viele Mess-Sensoren an und entwickelte daraus ein Klimakonzept aus Wärmepumpen, Nutzung der natürlichen Wärme im Atrium und der Doppelfassade, der Einsatzes der Fernwärme wurde reduziert und für die Bürobereiche wurden moderne Heiz-und Kühldecken geplant. Doch Hosang und sein Team gingen einen Schritt weiter. Sie setzten auf Kreislaufwirtschaft und das Prinzip Reduce, Reuse, Recycle. Durch eine konsequente Umstellung könnte viel Abfall vermieden werden oder Materialien wieder eingesetzt werden. Hier liegt noch sehr viel Potenzial begraben.
Tonnen von Material für die Wiederverwertung
Eine Studie von der Unicredit-Tochter, Wealthcap, und Immobilien-Resarcher JLL macht klar, warum ein Umdenken wichtig ist: In Europa entstehen pro Kopf und Jahr etwa fünf Tonnen Abfall. Die gute Nachricht: Die Immobilienbranchen, allen voran der Bausektor, bieten grosse Einsparpotenziale. Bauabfälle machen immer noch mehr als die Hälfte des Gesamtabfall-Aufkommens in Deutschland aus.
Auch das Umweltbundesamt ermittelte interessante Werte: Ein gewöhnlicher Altbau mit zehn Wohneinheiten liefert durchschnittlich 1.500 Tonnen Material zur Wiederverwertung, wie beispielsweise Metall, Kunststoff, Bitumen und Holz. Während Materialien wie Glas und Stahl schon seit längerem recycled werden, gelingt das bei Ziegel, Beton, Glaswolle und Spanplatten noch nicht so gut. Insgesamt lag das Wiederverwendungspotenzial aller verbauten Rohstoffe im Bauwesen, so das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), bei rund 7%. Ein absolut ausbaufähiges Feld!
Investoren nutzen Start-up-Knowhow
Angesichts der Engpässe und Preisentwicklungen von Materialien sind Immobilien-Investoren der Transformation von einem linearen zu einem zirkulären System inzwischen schon aufgeschlossener geworden. "Viele Bestandshalter sowie Finanzierer und Investoren erkennen aber auch die strategische Relevanz klimagerechter Sanierungspläne und sind entschlossen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden", sagt auch Dr. Christian Simanek, Bereichsleiter Asset Management bei Wealthcap. Doch wie geht man dabei vor?
Hosang setzte auf Concular, ein 2020 gegründetes und mehrfach prämiertes Start-up für zirkuläres Bauen aus Stuttgart. Mittels digitaler Materialpässe, umweltschonendem Rückbau und der Vermittlung von geprüften, zirkulären Baustoffen nutzen die Immobilien-Besitzer die noch vorhanden Ressourcen aus Prisma effizient. Dazu führten sie in dem Bestandsgebäude ein sogenanntes Circularity Assessment durch:
Das Laser-Messgerät vermass die Fenster, der Zustand der Heizkörper wurde beurteilt, Deckenleuchten und Trennwände untersucht und alle Daten in die Plattform eingespeist. So weit wie möglich sollen die Materialien dann bei umfassender Sanierung von Klimatechnik, Sanitär, Heizung, Brandschutz und Gebäudeautomation wiederverwertet werden. Technisch sei alles genutzt worden, was möglich war, so Hosang. Aber auch die vielen Trennwand-Systeme aus den Einzelzimmern der Bank wurden wieder professionell aufbereitet. Dies sei nicht billiger gewesen, halte aber das Material im Kreislauf, betont Hosang.
Bauteile, die hierbei nicht verwendet werden können, kommen aber nicht in den Müll, sondern werden über die Concular-Plattform verkauft und wieder in den Kreislauf überführt. Architekturbüros können dann ihren Bedarf in neuen Projekten mit dem Angebot in der Datenbank abgleichen. Bei einem Match kümmert sich das Startup Concular darum, dass die Materialien von der Rückbau- zur Neubaustelle kommen und misst dabei das eingesparte CO2 und den vermiedenen Müll.
Um auch dem "S" aus ESG gerecht zu werden, wurden nach der technischen Analyse neben den Mitarbeitern auch Menschen aus dem Lyoner Quartier und die ehemaligen Nutzer befragt, was sie am bisherigen Prisma-Konzept als gut oder schlecht fanden. Die Beschäftigung mit allen Stakeholdern sei ihnen sehr wichtig gewesen, sagt Hosang und habe eine gute Grundlage für die Planung geschaffen. Kostenseitig sei es natürlich positiv gewesen, dass Sonar Real Estate die Immobilie vor dem Zinssprung gekauft und durchfinanziert hatte. Natürlich treffen die Kosten-Steigerungen auch den Kapitalpartner, der aber ebenfalls weiter an das Projekt glaube. Skalierbar sei dieses Projekt allerdings nicht, aber man hätte viel zum Thema nachhaltig sanieren und Kreislaufwirtschaft gelernt. Dieses Wissen stelle man gerne der Branche zur Verfügung, bot Hosang an und knüpfte damit an den Aachener Netzwerkgedanken an.
Datenschutz: Risiko durch die Hintertür
Mit der zunehmenden Digitalisierung von Gebäuden verändern sich aber auch die Anforderungen an den Datenschutz. Durch den wachsenden Datenstrom würden auch die potenziellen Sicherheitsrisiken zunehmen, warnte Klaus Dederichs. Dies sei bislang noch ein wenig beachtetes Thema. Smart Buildings verfügen über eine Vielzahl von Sensoren, Kontrollsystemen, Netzwerken und Applikationen.
Diese Technologien führen auch dazu, dass sich die Angriffsflächen, beispielsweise für Hacker, erheblich vergrössert haben. Die häufigsten Schwachstellen finden sich – meist unabhängig vom Gebäudetyp – in den Schaltzentralen der technischen Gebäude-Ausrüstung und in der Gebäude-Automation. Dort können Werte bezüglich Luftzufuhr und Temperatur verändert werden, es könnten alle Zugangsmöglichkeiten zum und im Gebäude verriegelt werden oder eine Unterbrechung der Überwachungs- und Alarmsysteme, der Stromversorgung oder der Aufzüge herbeigeführt werden. Nicht zu vergessen: Auch im Smart Building kann der Mensch das schwächste Glied in der Sicherheitskette sein. Unternehmen sollten daher die Mitarbeiter regelmässig schulen und für mögliche Bedrohungen sensibilisieren.
Um smarte Gebäude zukunftssicher zu machen, sollte man daher schon während der Planungsphase eines Gebäudes Sicherheitsanforderungen an die Soft- und Hardware stellen, so die IT-Experten in der Tagung. Der Datenschutz muss von Anfang an in die Digitalisierungsstrategie integriert werden und danach laufend auf mögliche Gefahren-Potenziale in der Gebäudetechnik analysiert werden. Auch von Nutzerseite gilt es, rechtlich einiges zu beachten. Während beim Smart Home die Daten von den Nutzern freiwillig erhoben werden, erheben Smart Buildings die Daten, ohne dass der Nutzer davon bewusst Kenntnis nimmt.
Technisches Speed Dating mit Neuheiten
Neben der Besichtigung der Labore des Centers Smart Commercial Building, in denen Testungen live zu sehen waren, stellten sich auch technische Anbieter vor: Alles rund um die Tür und digitale Zugangssysteme entlang des Lebenszyklusses des Gebäudes erkärte Oliver Kowalski von Dormakaba Deutschland, ein Unternehmen für Zugangs- und Sicherheitslösungen. Damit beschäftigt sich auch Salto Systems.
Das Kölner Startup Aedifion arbeitet an einer klimaschonenden Gebäude-Regulierung. Hier steuert dann Künstliche Intelligenz Heizungsanlagen und nutzt dafür Daten vom Wetter bis zu den thermischen Kapazitäten des Gebäudes. Einer ihrer Investoren, neben dem Family Office der Familie Hopp, ist Phoenix Contact. Sie stellten dem Fachpublikum ihr Produkt-Portfolio rund um die integrale Planung von Smart Buildings entlang der Customer Journey vor. Über die Anforderungen von Cybersicherheit berichtete der Spezialist TX One Networks und über nachhaltige Licht-Lösungen wusste natürlich Zumtobel viel beizusteuern. / BB