Berlin. Selten wurde ein Diskutant im Rahmen des "ITB Hospitality Day" während der ITB Berlin so bestürmt wie Mario. Am liebsten hätten sie den 57 cm "grossen" Roboter mit den schalkhaften Augen geherzt, doch zumindest aufs Foto wollten Mario alle bannen. Diskussionsstoff über Roboter und ihren Einfluss auf die Arbeitswelt gab es reichlich – mit der nüchternen Erkenntnis, dass die programmierten Wesen in der Hotellerie schneller Einzug halten können als man denkt. Fred Fettner fasst zusammen.
Dieser Auftritt unter Profis ist schon ein Beweis dafür, warum das belgische Ghent Marriott Hotel Mario als Mitarbeiter am Front Desk einsetzt. "Wir wollten sehen, was den Gästen wichtig ist, aber wir wissen noch nicht, ob wir als Hotelkette in diese Richtung weiter experimentieren", sagte General Manager Roger Langhout in Berlin. Mario arbeitet an der Rezeption, er reicht die Schlüssel-Karten weiter. "Oft setzen wir ihn zusätzlich auf Konferenzen ein. Er hat eine starke Ausstrahlung, liest den Text von Folien, arbeitet auch in den Pausen und nicht zuletzt verfügt er über ein Spiele-Programm, kann singen und tanzen," so Langhout. Mario liess sich nicht lange bitten, betätigte sich gleich als tanzender Animateur… Ein humanoider Roboter hat einfach einen enormen Erinnerungswert – das konnte man auch an den vielen hochgehaltenen Smartphones und Foto-Shootings in der Konferenz-Halle der ITB deutlich sehen.
Wobei: Mario selbst liegt noch an einer sehr kurzen Leine. Keine Rede von künstlicher Intelligenz, sondern jede Aktivität steuerte Marios Software-"Vater" Fabrice Goffin mit dem Tablet. Die Antworten auf Interview-Fragen mussten vorher programmiert werden. Beim belgischen Software-Produzenten ZoraRobot sind dank Mario 34 Mitarbeiter beschäftigt; weltweit sind schon über 200 Roboter im Einsatz - ursprünglich für Senioren- und Pflegeheime. "Aber inzwischen sind sie schon in mehreren Hotels anzutreffen, in Utrecht, Amsterdam und auch in Frankreich," sah sich Goffin erst am Anfang. Aufgrund der geringen Grösse sei ihr Roboter eher ein Kumpel. In den meisten Teilen der Welt will man Robotern, die neben funktionierenden Gliedmassen über einen funktionslosen Kopf verfügen, wenigstens körperlich überlegen sein.
Umfrage: Trotz Furcht werden Roboter kommen
In einer globalen Umfrage von Travelzoo International – exklusiv für die ITB – bestätigten sich teilweise regionale Unterschiede. So fürchten sich Franzosen und Briten am meisten vor Robotern. Exakt die Hälfte stimmen der Feststellung "Ich finde Roboter generell eher furchterregend" (I find the idea of robots to be quite scary) zu. Im Mittelfeld liegen z.B. Deutschland, USA, Japan und Brasilien, während sich Chinesen vermutlich über die Frage wunderten: Nur 2% stimmten absolut, 12% mit Abstrichen zu.
Dieses Bild zieht sich weitestgehend durch die Befragung, wobei die künftig gestärkte Rolle der Roboter in unserem täglichen Leben global ziemlich einheitlich gesehen wird. Nach kürzeren Zeithorizonten befragt, treten wieder markante Unterschiede zutage: "Ich glaube, Roboter werden schon in wenigen Jahren unseren Alltag mitprägen" (I believe robots will be a big part of life in just a few years) trennt wieder China vom Rest der Welt. Wobei insgesamt erstaunt, dass global nur ein Viertel dieser Aussage mit Skepsis entgegentritt.
Laut Europäischer Kommission soll bereits in fünf Jahren der Markt von humanoiden Robotern 100 Milliarden Euro schwer sein. Wie Travelzoo-Präsident Richard Singer in der nachfolgenden Diskussion zusammenfasste, glauben 80 Prozent, dass humanoide Roboter schon 2020 eine wichtige Rolle spielen könnten. Drei Viertel glauben an einen positiven Einfluss.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist das verständlich. Mario und Kollegen vernichteten bisher noch keine Arbeitsplätze. Auch die Befragungen zeigten, dass nur eine kleine Minderheit der Gäste ausschliesslich von einem Roboter kontaktiert werden möchte. Stets sollte ein Mensch dabei sein.
Die Hälfte aller Hotel-Jobs ersetzbar?
Langfristig allerdings sieht das anders aus, wie Roland Schwecke, Geschäftsführer der DICON-Marketing-Beratung aus Berlin sagte. Er zitierte Zahlen aus der viel beachteten Studie "Die Zukunft der Beschäftigung" von Frey und Osborne, die über 700 klassische Berufsrichtungen in den USA hinsichtlich des Einflusses der Digitalisierung untersuchte. Zentrales Ergebnis: Je niedriger die Qualifikation und der Lohn des Arbeitnehmers, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Beruf verzichtbar ist.
So könnten bis zur Hälfte aller bisherigen Hotel-Jobs bis 2025 durch Software-Lösungen, Roboter und Smart Machines ersetzt werden. Am besten sind demnach die Aussichten für alle Management-Positionen, besonders schlecht die Perspektiven hingegen für alle, die mit der Verwaltung, speziell den Zahlungseingängen, zu tun haben: Book Keepers, Clerks und Cashiers könnten bis zu 100 Prozent ersetzt werden. Doch in dieser Aufstellung erweisen sich auch Service-Berufe wie Koch, Kellner und Rezeptionist zu über 90 Prozent als elektronisch substituierbar.
Wobei Schwecke in der Diskussion davor warnte, den Blick zu sehr auf die humanoiden Roboter zu richten. "Die werden gerade in Europa als Spielerei betrachtet. Aber es geht um Hoch-Technologie, Automatisierung und künftig künstliche Intelligenz. Bereiche, die Roboter miteinander verbinden." Die Arbeitslosigkeit sei ein Fakt, monotone Arbeiten werden im Rahmen der Digitalisierung ersetzt. Das grösste Rationalisierungs-Potenzial sieht er bei den Dienstleistungen im Reinigungsbereich, aber auch in der Küche. Schon heute würden hochwertige Convenience-Produkte Köche bzw. Aushilfen ersetzen.
Der Dicon-Berater ist davon überzeugt, dass die Entwicklung erst am Anfang stehe. Etwa durch den 3D-Druck. Doch bei aller Schnelllebigkeit sind in der Elektronik die Zeit-Horizonte oftmals länger als erwartet. Als das IBM-Programm Watson 2011 – nach fünfjähriger Vorbereitungszeit – in den USA gegen die besten Kandidaten Jeopardy! für sich entscheiden konnte, galt das als Durchbruch: Computer sollten künftig mündlich gestellte Fragen perfekt beantworten. Doch wer sein Smartphone per Sprach-Eingabe steuert, kennt die engen Grenzen. "Schon seit 15 Jahren arbeitet IBM auch daran, wie man die Minibars in den Zimmern ersetzen kann," nannte Schwecke ein weiteres Beispiel langwieriger Entwicklungen.
In der Diskussion wurde nochmals auf die Job-Perspektiven eingegangen. "Es braucht künftig mehr denn je eine Qualifikation, um als Angestellter am Arbeitsmarkt zu bestehen. Auch in der Hotellerie werden durch die Automatisierung unterqualifizierte Jobs zurückgedrängt", forderte Schwecke die Hotel-Lobbyisten auf, ihre Mitarbeiter zu schützen. Und Singer brachte es auf den Punkt: "Bei Four Seasons hätte ich keine Sorgen, aber wenn ich für ein Smart-Hotel arbeite, schon eher." Wo es eine intensive menschliche Interaktion gibt, kommen Roboter so schnell nicht zum Zug.
Wie die ITB-Travelzoo-Umfrage zeigte, können die Menschen das durchaus unterscheiden. 53% finden einen Roboter an der Rezeption smart, aber eben nur in Begleitung eines Menschen. Nur 18% können auf Menschen verzichten. Als Gepäckträger erachten immerhin 37% den Roboter gegenüber dem Menschen als überlegen, 57% vermuten, dass Roboter im Zimmerservice gut eingesetzt werden können. Als Crew im Flugzeug will kaum einer einen Roboter sichten.
3D Hologramm als Hightech-Highlight für Meetings
Stephan Demmerle, Geschäftsführer Business Unit NH-Hotels, brachte im Rahmen des ITB Hospitality Day ein weiteres Beispiel futuristischer Lösungen ein. Die Hotelgruppe setzt eine Hologramm-Technik ein, durch die Akteure "live" und in Lebensgrösse auf der Bühne auftreten können, obwohl sie sich in Wahrheit in Übersee befinden. "Können Sie sicher sein, ob ich überhaupt hier bin?" feixte Demmerle. Denn in sechs NH-Hotels könne man es nicht mehr sein. "Event-Veranstalter finden das ganz toll." Einen Konzert-Star auf einer Party singen zu lassen - diese Überraschung gelinge immer, weiss Demmerle. Interessiert an dieser 3D-Hologramm-Technik sind besonders Grossunternehmen, die diese Technologie bei Mega-Meetings oder Mega-Events einsetzen.
In dieser Diskussionsphase gab sich Mario – als stiller Teilnehmer zwischen den übrigen Panelisten – ein wenig schweigsam. Zuvor noch hatte er schelmisch geblinzelt und sich dem jeweils Redenden zugewandt. Aber nicht automatisch, sondern dank Fabrice Goffin. Für die meisten Menschen ist das wohl eher beruhigend: "Wenn man die Leute zu künstlicher Intelligenz befragt, tritt immer der Konflikt zwischen Ängsten und Chancen zutage", bestätigte Singer. Doch Roboter würden in allen Lebensbereichen in zehn Jahren anzutreffen sein. "Aber es ist gut, wenn sie wie Mario sind und uns reden lassen..."
Die Langfassung der Roboter-Story steht nur hospitalityInside-Abonnenten zur Verfügung.
Videos zu den beiden Panels über Digitalisierung/Roboter finden Sie hier unten:
Welcome, Mario! Der erste humanoide Hotel-Roboter und seine Väter sprechen über die digitale Welt
Was bedeuten Roboter und andere Hochtechnologie-Erfindungen für die Zukunft der Hotellerie?