Hinter der geplanten Verwandlung steckt die Immobilien-Firma Artisana Group. Sie hat angekündigt, das idyllische Bergdorf auf Vordermann zu bringen und zum attraktiven Ski-Resort umzubauen, wie tagblatt.ch berichtet.
Auf der Website von Artisana liest sich das so: "Wir streben danach, das Dorf San Bernardino in ein ganzjährig aktives alpines Ziel zu verwandeln. Mit einem respektvollen Ansatz gegenüber den lokalen Wurzeln und der Umgebung verpflichten wir uns, einen Ort zu schaffen, der nicht nur die Gemeinschaft bereichert, sondern auch zu einem Anlaufpunkt für diejenigen wird, die authentische Erfahrungen in alpiner Umgebung suchen." Die Rede ist von "lokaler Wertschöpfung", das Ganze steht unter dem Projektnamen "San Bernardino Mountain Leisure".
Im Bergdorf San Bernadino im Kanton Graubünden ist lange nicht investiert worden, der Ort nahe der Passhöhe war auf dem besten Weg, zu einem "verlorenen Platz" mit veralteten Liftanlagen und schwindender Infrastruktur zu werden. Die meisten Touristen verschwanden im Autobahn-Tunnel gleichen Namens und liessen den Ort links liegen. Das soll sich nun ändern.
Das Institut für Philosophie und Politikwissenschaft der TU Dortmund hat solch einer Negativspirale Ende 2024 sogar eine Ausstellung mit dem Titel "Einsame Bergspitze – Lost Places in den Alpen und ihre Menschen" gewidmet. Weniger Skitage, steigende Kosten durch aufwendige Beschneiungstechnik und somit abnehmende Gewinne: Diese Faktoren führten in den vergangenen Jahren in der Schweiz zur Aufgabe von einer ganzen Reihe von Skigebieten, mit gravierenden Folgen für die Region.
Mehr Hotels, mehr Luxus
Laut tagblatt.ch hat die Artisana Group bereits die desolaten Bergbahnen gekauft und wieder instandgesetzt, sowie sieben Gebäude im Dorf erworben und renoviert. Die Kosten dafür werden mit 80 Millionen Franken beziffert. Weitere Investitionen – die Rede ist von 200 Millionen Franken – seien geplant. Seit Sommer 2024 ist das 3-Sterne-Hotel Brocca & Posto im Zentrum des Dorfes samt italienischem Restaurant wieder in Betrieb, zwei zusätzliche Hotels sollen im kommenden Jahr eröffnen, bis 2030 auch ein Wellnesstempel für Gäste mit gehobenen Ansprüchen.
Ähnlichkeiten zu Andermatt sind erkennbar: Dort hat der Investor Samih Sawiris das Tourismusgebiet neu belebt, allerdings durch den Bau eines Tourismusresorts neben einem Dorf. Im Fall von San Bernardino wird ein Dorf ausgebaut, das ungefähr 100 Einwohner hat und in Zukunft 8.000 Touristen beherbergen soll. Der Widerspruch der Bewohner gegen das Projekt halte sich in Grenzen, heisst es in der Tagespresse, da viele die Veränderung offensichtlich als Chance sehen.
Eher Bedrohung als Chance stellt hingegen der Klimawandel dar, der sich auch nicht durch Investitionen in Immobilien und Infrastruktur aufhalten lässt. Laut gängiger Prognosen soll bis 2050 die Nullgrad-Grenze um weitere 300 Meter steigen, wodurch noch mehr Skigebieten ihre traditionelle Grundlage entzogen wird. Graubünden Tourismus wirbt für San Bernadino derzeit mit "schneesicheren Pisten". Sie liegen zwischen 1.600 und 2.700 Metern und somit über der magischen Grenze von 1.500 Metern, die vielerorts den Winterurlaubern statt weisser Pisten grüne Wiesen beschert. / red