Während der Tourismusbeauftragte beim Kickoff der Nationalen Plattform für Tourismus noch anwesend war, wurde am darauffolgenden Tag im Bundestag bei einer interfraktionellen Veranstaltung der Ampelparteien (hospitalityInside berichtete) lediglich ein Grusswort auf der Leinwand gezeigt.
Noch einmal zurück zur Website. Eine englische Sprachversion von Janeceks Webseite gibt es nicht. Wer auf den Englisch-Button beim Portrait des Tourismus-Beauftragten klickt, landet auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. So viel zum Thema "Tourismus ist ein globales Thema". Der Tourismus-Vertreter spricht (auf seiner Webseite) nur Deutsch.
Mag sein, dass das tourismuspolitische Handeln des Beauftragten eher im Verborgenen blüht, lediglich sieben Einträge zu seiner touristischen Arbeit sind dort zu finden. Dabei betont Janeceks Chef, Bundesminister Robert Habeck, stets, wie wichtig der Tourismus für die Wirtschaft ist.
Die deutschen Reiseverbände fordern angesichts der Bedeutung der Branche seit langem einen Minister oder zumindest eine(n) Staatssekretär(in) für Tourismus, um der Branche ein entsprechendes Gewicht zu geben (das kleine Nachbarland Österreich hat eine Staatssekretärin für Tourismus). Jochen Szech, langjähriger Präsident des Mittelstandsverbands asr, erinnert sich, "… dass die Verbände schon seit mindestens 15 Jahren eine Aufwertung der Branche fordern. Das war alles vergeblich."
Verdient hätte die Branche eine solche Funktion schon, schliesslich liegt die Wertschöpfung im Tourismus (vor Corona) bei 4% der Wertschöpfung in Deutschland. Rund 2,8 Millionen Personen sind dadurch direkt im Tourismus beschäftigt. Hinzu kommen 1,3 Millionen Personen, die Vorleistungen für die Erzeugung touristischer Waren und Dienstleistungen hergestellt haben. Damit sind rund 9% aller Beschäftigten in Deutschland direkt oder indirekt für den Tourismus tätig.
Das ist mehr als in der Automobil-Industrie mit rund 750.000 Menschen in der Branche! Aber wer ist stets im Fernsehen zu sehen, gleich hinter Kanzler, Minister und anderen Wirtschaftsbossen? Hildegard Müller, die Präsidentin des Lobbyisten-Verbandes der Automobil-Industrie (VDA). Ingrid Hartges, Geschäftsführerin des Dehoga Bundesverband, ist bei einer ITB-Eröffnung nicht in solchen Situationen zu sehen.
Stefan Schmidt, Sprecher für Tourismuspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Ausschuss für Tourismus, verteidigt die Haltung der Regierungskoalition und seinen grünen Parteifreund Janecek:
"Für Tourismuspolitik sind in erster Linie die Bundesländer zuständig. Wir im Bund haben die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Tourismuswirtschaft so zu gestalten, dass sie sich erfolgreich entwickeln kann. Dazu gehören u.a. gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen oder die Unterstützung der Branche bei der notwendigen ökologischen Transformation.
Tourismuspolitik im Bund ist also ein Querschnittsthema, das sich in allen Ressorts wiederfindet. Vor diesem Hintergrund ist es aus meiner Sicht sehr zielführend, dass wir auf Seiten der Bundesregierung einen Koordinator für Tourismuspolitik haben, der die Massnahmen für eine zukunftsfähige, resiliente Tourismuswirtschaft effizient bündelt und zusammenführt, also koordiniert. Gleichzeitig ist diese Koordinierung typischerweise nicht die Aufgabe eines Ministers oder Staatssekretärs."
Im Ausland versteht das niemand. "Deutschland ist doch ein so wichtiges Tourismusland, ich habe in der Regierung keinen Ansprechpartner auf meiner Ebene gefunden," beklagte sich neulich der – inzwischen ehemalige – kenianische Tourismus-Minister Najib Balala beim Autor. Andererseits, auch die Verbände, die im Tourismus lobbyieren, sind zerfranst. So nehmen sowohl der asr – die Allianz selbständiger Reiseunternehmen und der VUSR, der Verband unabhängiger Selbständiger Reisebüros, sich das Recht, für den touristischen Mittelstand zu sprechen. Und auch der BTW, Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft, oder der DRV, Deutscher Reiseverband, vertreten längst nicht alle Interessen.
Ein Abgeordneter stöhnt: "Ich weiss nicht, welchen Verband ich anrufen soll, wenn ich mal eine Frage habe." In der Automobilindustrie gebe es den VDA, in der Chemie den VCI, "nur im Tourismus muss ich immer mindestens drei Nummern wählen."
Nun, vielleicht es ist mal Zeit, für die Branche darüber nachzudenken. In den Sommerferien, vielmehr in der Lobby-freien Zeit, ist das jedenfalls nicht passiert. / Frank Tetzel