Kurzes Schlucken beim Autor dieser Zeilen, um dann mit einem entsprechenden Trinkgeld die Rechnung zu begleichen. Bekanntlich ist die deutsche Bundeshauptstadt besonders preissensibel, doch an bestimmten Hotspots bezahlt man ja nicht nur rein die dargebrachte Leistung, sondern eben auch für das Ambiente, die Lage oder den besonders freundlichen Service mit.
Teuer oder preiswert?
Das ist auch im politischen Berlin schon länger eine gute Frage und wird allerorten diskutiert. Nicht nur aufgrund der tatsächlichen, sondern vor allem der gefühlten Inflation. Szenenwechsel: am Nachmittag Askanischer Platz, die Ruine des Portals des Anhalter Bahnhofs. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Haus der Berliner Tageszeitung, dem Tagesspiegel, liegen hier. Am Mittwochnachmittag trafen sich dort u.a. Vertreter der Lebensmittel-Industrie und des Einzelhandels, um sich mit der Politik austauschen.
Auch hier sind Preis-Steigerungen bei Lebensmitteln ein Thema, und auch hier geht es um Wahrnehmung. Während offizielle Statistiken wie der Verbraucherpreisindex (VPI) versuchen, die Inflation objektiv zu messen, beschreibt die gefühlte Inflation das subjektive Empfinden der Menschen hinsichtlich der Preissteigerungen im täglichen Leben – und dieses Empfinden kann deutlich von den offiziellen Zahlen abweichen. Z.B. beim alltäglichen Einkauf.
Menschen neigen dazu, Preis-Erhöhungen stärker wahrzunehmen und sich an diese besser zu erinnern als an Preis-Rückgänge oder konstante Preise. Dies kann zu einer Diskrepanz zwischen der statistisch erfassten Inflationsrate und der von den Verbrauchern wahrgenommenen Inflation führen. Den gefühlten Preisanstieg beeinflussen z.B. Artikel des täglichen Bedarfs. Lebensmittel oder Benzin fallen stärker ins Gewicht. Zudem beeinflusst die Art und Weise, wie Medien über Preis-Erhöhungen berichten, die individuelle Wahrnehmung.
Die persönliche finanzielle Situation spielt ebenso eine Rolle. Bei geringerem Einkommen werden selbst moderate Preis-Steigerungen als belastend empfunden. Wenn Menschen glauben, dass die Preise schneller steigen als es tatsächlich der Fall ist, werden sie ihr Ausgabeverhalten ändern. Dies kann zu einer Zurückhaltung bei grösseren Anschaffungen führen oder die Nachfrage nach günstigeren Alternativen erhöhen.
Und was hat das nun mit Politik zu tun?
Auch gute Politik ist von subjektivem Befinden und der Wahrnehmung einzelner handelnder Personen abhängig."Wir haben einen Haushalt", hiess es am Mittwoch aus dem Konklave der Ampelkoalitions-Leader. Dass sich die drei Parteien vor Weihnachten zusammengerauft haben, ist zumindest ein Zeichen von Regierungshandeln. Allerdings, und dies ist dann wiederum die schlechte Nachricht, wird es keine Veränderungen für Gastronomie und Hotellerie geben, möglicherweise sogar weitere Belastungen.
Das ohnehin schon durch die reale und gefühlte Inflation schrumpfende verfügbare Einkommen wird noch geringer werden und der eine oder andere – auch Firmenkunde – wird sich überlegen, ob er nicht eher beim Bäcker um die Ecke als in einem gastronomischen Hotspot einkehrt. Der Preisdruck auf die Gastronomie wird sich zusätzlich erhöhen, denn der jetzt beschlossenen Haushaltskompromiss – das Wort Steuererhöhung wird peinlich vermieden – wird noch einmal befeuert werden.
Angesichts einer Haushaltslücke von rund 17 Milliarden Euro für das Jahr 2024 haben sich die Koalitionäre auf Massnahmen geeinigt, die eine Mischung aus Ausgabenkürzungen und der Erhöhung von Umweltabgaben (!) beinhalten. Zu den bemerkenswerten Entscheidungen gehört die Erhöhung der CO2-Abgabe auf Sprit, Heizöl und Gas von 30 Euro auf 45 Euro pro Tonne ab 2024, was eine unmittelbare Preiserhöhung für Benzin und andere Energien um etwa 4,5 Cent pro Liter zur Folge hat.
Die zusätzlichen Kosten für Energie wird nicht nur die Betriebe, sondern auch die Konsumenten treffen. Die Luft wird noch dünner werden.
Zeitenwende?!
Bei vielen Vertretern unterschiedlicher Branchen ist die von Kanzler Olaf Scholz verkündete Zeitenwende wahrscheinlich missverstanden worden. Weil sie eben nicht nur die Auswirkungen des Ukrainekrieges umfasst.
"Die Zeitenwende hat in den Köpfen der Menschen noch gar nicht stattgefunden. Es gab weder eine Phase des Trauerns um das Vergangene noch eine visionäre Ausrichtung auf eine neue Zeit. Wir sind also, psychologisch betrachtet, in einer Nachspielzeit", sagte der Diplom-Psychologe Stephan Grünewald aus Köln, Gründer des Markt- und Medienforschungsinstituts rheingold, am Mittwoch beim Tagesspiegel-Event. "Wir nehmen in unseren Studien eine starke Gegenwartsorientierung wahr. Die Menschen hoffen, dass ihr gewohntes Leben noch eine Zeitlang so weitergeht. Und anstelle des visionären Blicks nach vorn wandert der Blick lieber in den Rückspiegel."