Berlin. "Mehr Macht für weniger Anbieter?" Das Motto der Vertriebs-Diskussion beim 7. "ITB Hospitality Day" an der ITB Berlin war gleichzeitig die Antwort: Unter den Online Travel Agents findet ein Konzentrationsprozess statt, der viele Portale auf der Strecke lassen wird. Der Online-Vertrieb wird nämlich immer komplizierter. Neue Portale oder Nischen-Geschäftsmodelle entstehen in immer kürzeren Abständen. Der Trend zum mobilen Buchen wird die Zahl der Newcomer weiter erhöhen. Gleichzeitig rüsten sich Giganten zum Gegenschlag.
Ob Google, das Sabre oder HRS: Die Grossen kämpfen gegen die neuen Kleinen und um ihre eigene Dominanz. Und wo bleibt dabei der Hotelier? "Mit dem richtigen Partner kann ich heute als Individualhotel mit einem guten Produkt, Standort und Preis im Vertrieb so effektiv sein wie die grossen Marken," glaubt Monique Jaspers-Wijn, Europa-Chefin von Sabre Hospitality Solutions. "Hoteliers werden smarter, sie schauen genau hin, wo ihr Geschäft herkommt, welche Raten wo erzielt werden. Wenn die Website gut und einfach ist, ist die Chance sehr gross, dass direkt über sie gebucht wird. Ein OTA bringt zusätzlichen Nutzen, aber die Zusammenarbeit muss stimmen."
Weil letztendlich alle Vertriebswege Geld kosteten, sollten Hoteliers auch darüber nachdenken, mehr für ihren eigenen Auftritt auszugeben als zuviele Portale zu stützen. Auch dies würde ihnen zwar keine 100prozentige Auslastung garantieren, sie aber mehr zufriedenstellen, rät sie.
Dass Jaspers-Wijn so argumentiert, liegt an der neuen Rolle von Sabre. Das frühere GDS hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Voll-Anbieter im Vertrieb entwickelt, der auch die Individualhotellerie anpeilt. Sabre Hospitality Solutions steht dabei u.a. im Wettbewerb mit Expedia oder HRS.
Umstrittenes Portal Room Key
Effektiver Eigenvertrieb ist indessen auch für die grossen Marken schwierig geworden und sie fürchten weiter steigende Kommissionen an Dritte. Eine Konsequenz: die Entwicklung von Room Key. Das vor wenigen Monaten von sechs US-Ketten gegründete Buchungsportal gewinnt weiterhin prominente Mitglieder. Direkt nach seiner Gründung schloss sich spontan Best Western an, letzte Woche folgte Preferred Hotels, ab Mai wird Worldhotels dazu stossen. "Die Not muss gross sein, wenn sich sechs Mitbewerber in ein Bett legen", sagt Moderatorin Carolin Brauer, selbst Chefin einer Reservierungsplattform.
Die Konkurrenz bleibt angesichts von Room Key gelassen. Arne Erichsen von Expedia: "Zuerst bin ich einmal neugierig darauf. Bisher haben wir nur Informationen über den fachlichen Hintergrund, aber es gibt ja auch den Kunden." Seiner Meinung nach könnte Room Key nur dann Erfolg haben, wenn alle Ketten ihren eigenen Kundenstamm dorthin ziehen würden.
Keine Angst vor Google Hotelfinder
Tobias Ragge von HRS prophezeit Room Key einen relativ schnellen Tod: "Die Party sollte in eineinhalb Jahren vorbei sein", sagt er. Hinter dem System stecke schliesslich ein Switch über Pegasus. Daher werde auf die Hoteliers am Ende eine Kommission von 25 Prozent zukommen. Um aus Room Key eine Marke aufzubauen, sei das Startkapital von 42 Millionen US-Dollar viel zu gering. Auch sorge das System in der Praxis für Verwirrung. "Der Franchise-Nehmer von Marriott erwartet Buchungen über Marriott.com und nicht über Room Key."
Jaspers-Wijn hingegen bezeichnet Room Key als eine grosse Bewegung. "Ob es funktioniert, wissen wir nicht", sagt sie. "Wenn Room Key sich Individualhotels öffnet, wird es ein OTA."
Ragge, der seit seiner jüngsten Kommissions-Erhöhung und den damit verbundenen, umstrittenen AGB-Änderungen von einer Podiumsdiskussion zur nächsten reist, hat auch vor dem Google Hotelfinder keine Angst. "Google Hotelfinder ist aus unserer Sicht eine reine Metasuchmaschine und wird das auch bleiben. Ein Geschäftsmodell, das auf Werbung ausgelegt ist, wird nicht ein Hotel aus Soest an einen Japaner vermitteln. Wenn ich heute eine EBIT-Marge von über 30 Prozent habe, werde ich zunächst woanders ansetzen als in unserer Reisebranche", bleibt er optimistisch.
Fight im mobile Segment
Google übernehme bisher keine Verantwortung, so Ragge. Schliesslich erhalte das Unternehmen für jeden Klick Geld von seinen Kunden, den auf Google vertretenen Anbietern. Wer ausrechne, wie viele teure Klicks sich am Ende in eine Buchung verwandelten, werde sich wundern. Jaspers-Wijn von Sabre hingegen sieht durchaus Positives an Hotelfinder. "Er ist transparent. Wer den besten Job bei der Kunden-Zufriedenheit gemacht hat, erhält die Buchung", sagt sie.
Zu einem neuen Schlachtfeld für die Online-Distributeure hat sich in jüngerer Zeit die mobile Buchbarkeit entwickelt, die in der Diskussionsrunde den neuen Namen MTA erhielt. Zu den Newcomern dort zählt Ognjen Zeric, Gründer und Geschäftsführer von Justbook Mobile. Seine Smartphone-App orientiert sich an dem US-Modell "Hotels tonight" und bietet Hotels die Möglichkeit, ihre Häuser ab 12 Uhr mittags für denselben Tag zu einem Sonderpreis zu vermarkten.
Doch weil dem Smartphone-Markt ein rasantes Wachstum prognostiziert wird, hat sich auch HRS längst damit beschäftigt und den Newcomer folglich jüngst in seine Schranken verwiesen. Justbook schlug mit einer Einstweiligen Verfügung erfolgreich zurück. "Wir benchmarken alle Wettbewerber, weil wir selbst alle Kanäle abdecken", sagt Ragge. Last Minute sei ein Massenmarkt. HRS habe längst einen Last Minute-Rabatt ab 12 Uhr für denselben Anreisetag, der durch das mobile Buchen jetzt aber einen neuen Stellenwert erhalte. Ragge: "Dass wir kein altruistischer Charity-Verein sind, ist auch klar."
Dramatischer Wandel befürchtet
Doch wer oder was wird in fünf Jahren von den OTAs und MTAs übrig bleiben? "Wir werden in fünf Jahren eine andere Marktstruktur haben", ist Zeric überzeugt. Jede Innovation auf dem Markt rufe neue Player hervor. Auf der Vertriebsseite könnten aber nur wenige Anbieter dominieren. "Es geht nicht nur darum, eine Website zu bauen. Dort auch noch eine direkte Buchung für sich zu gewinnen, ist sehr schwierig."
Ganz so dramatisch sieht Arne Erichsen von Expedia die Situation nicht: "Wir haben online eine ganz andere Präsentationsmöglichkeit als früher über GDS. Es gibt Individualhotels, die von 40 bis 42% Online-Vertrieb über die eigene Website berichten. Wenn ich aber auch ausländische Kunden, Airline-Kunden etc. will, muss ich genau schauen, was ich selbst kann und was nicht mehr." Die langfristige Interaktion, so Erichsen, geschehe jedoch im Hotel.
Ragge geht von einem dramatischen Wandel auf dem Markt aus. Kanäle würden zunehmend fragmentiert. Jeder Player, der bestehen wolle, müsse diese Kanäle bedienen. "Wir müssen immer mehr Experten einstellen, die hochspezifische Themen bearbeiten. Uns beschäftigen Fragen wie: Wie kommt der Kunde dorthin, wie verwandelt sich die Anfrage zur Buchung? Auf der OTA-Seite wird eine weitere Konzentration und Konsolidierung stattfinden. Grosse Anbieter, die innovativ bleiben, werden sich Vorteile verschaffen." Letztendlich gelte aber auch hier das bekannte Motto: 'Die Schnellen fressen die Langsamen' und nicht 'Big is beautiful'. Top-Priorität für ihn habe die Optimierung des Online-Abwicklungspotenzials.
Tempo oder Tod
Angesichts der zunehmenden Globalisierung wird auch die Expansionsgeschwindigkeit im Überlebenskampf der Portale eine Rolle spielen. Expedia, so Erichsen, habe schon seit Jahren eine Partnerschaft mit Air Asia, man sei in Skandinavien und Osteuropa vertreten. Allerdings sei die Darstellung der Angebote in anderen Sprachen durchaus eine Herausforderung. Ragge hat mittelfristig Osteuropa, Asien und Südamerika auf der Liste. Zeric von Justbook Mobile will sich auf die Region Europa und auf die Weiterentwicklung der individualisierten Kunden-Ansprache konzentrieren.
Was die selektive Globalisierung der Portale für den Hotelier bedeutet, fasst Monique Jaspers-Wijn zusammen: "Ich muss herausfinden, welche Märkte für mein Hotel überhaupt wichtig sind. Und über welche Wege sie buchen. China hat zwar ein grosses Potenzial, um diese Gäste zu gewinnen, man muss aber auch viel investieren." / Susanne Stauss