Dass die bundesdeutsche FDP keine Freundin überbordender Bürokratie ist, hat sie zuletzt u.a. dadurch klargestellt, dass sie sich vehement gegen das Europäische Lieferkettengesetz gestemmt hat. Genutzt hat ihr das wenig, denn vor vier Wochen billigte nach intensiven Debatten eine Mehrheit der EU-Staaten ein modifiziertes Lieferkettengesetz zum Menschenrechtsschutz.
Dies geschah gegen den Willen Deutschlands, das sich, beeinflusst von der FDP, enthielt – was faktisch einer Ablehnung gleichkommt. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bedauerte das Ergebnis dann auch und betonte, dass die FDP ein unternehmensfreundlicheres Gesetz angestrebt habe. Dennoch habe die Partei einige Verbesserungen durchgesetzt. Die FDP kritisierte die zunehmende EU-Bürokratie, während SPD und Grüne die Überstimmung Deutschlands und die Stärkung der Menschenrechte begrüssten, Anna Cavazzini von den Grünen sprach von einem Sieg über Lobby-Interessen und parteispezifische Politik.
Nur einen Tag nach der Ablehnung durch die FDP musste das durch die Liberalen geführte Justizministerium einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in bundesdeutsches Recht vorlegen. Wird diese in deutsches Recht umgesetzt, werden die Berichterstattungspflichten von Unternehmen hinsichtlich Nachhaltigkeitsfragen signifikant erweitert.
Es ist in Berlin ein offenes Geheimnis, dass der erwähnte Justizminister kein Freund dieser Direktive ist. Dennoch ist er verpflichtet, sie in deutsches Recht umzusetzen. Ein paradoxes Moment, der die Spannung zwischen ökonomischen Interessen und der Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft widerspiegelt. Im Juni soll der Entwurf Gesetz werden.
Die CSRD wird etwa 15.000 deutsche und insgesamt 50.000 Unternehmen in der EU dazu verpflichten, tiefgreifende Einblicke in ihre Nachhaltigkeitspraktiken zu gewähren. Von grossen Konzernen, die bestimmte finanzielle Schwellenwerte überschreiten, bis hin zu mittelständischen Unternehmen, die am Kapitalmarkt aktiv sind, wird eine breite Palette von Organisationen erfasst. Ab 2028 wird diese Pflicht auch internationale Firmen mit signifikanter Geschäftstätigkeit in der EU betreffen.
Im Zentrum dieser Initiative steht das Prinzip der "Doppelten Wesentlichkeit", das Unternehmen dazu auffordert, sowohl die finanziellen als auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Aktivitäten zu bewerten und offenzulegen. Die neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) definieren die inhaltlichen Säulen der CSRD-Berichterstattung und umfassen ein breites Spektrum von Themen – ein deutliches Signal für ein neues Zeitalter der Unternehmensverantwortung.
CSRD-Implementierung kostet 1,4 Milliarden jährlich
Jedoch steht diese Entwicklung nicht ohne Kritik da. Die zunehmende Komplexität und der damit verbundene administrative Aufwand stellen für viele Unternehmen eine enorme Herausforderung dar. Die Erfassung von Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette, insbesondere von nicht berichtspflichtigen Akteuren, erweist sich als besonders knifflig und ressourcenintensiv.
Im Referenten-Entwurf des Justizministeriums zur Implementierung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird der jährlichen Erfüllungsaufwand für die deutsche Wirtschaft auf etwa 1,4 Milliarden Euro geschätzt, wobei es sich dabei rein um Bürokratie-Kosten handelt.
Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen warnt etwa der Bundesverband Grosshandel, Aussenhandel und Dienstleistungen vor einer weiteren Zunahme des bürokratischen Drucks auf bereits angeschlagene Unternehmen und fordert eine Reduzierung der Bürokratie anstelle der Schaffung neuer bürokratischer Hürden.
Darüber hinaus bringt die gesteigerte Transparenz neue wettbewerbliche Dynamiken ins Spiel, die das Machtgefüge zwischen Grosskunden und Zulieferern verschieben könnten. Die Offenlegung von Geschäftsbeziehungen birgt zudem das Risiko kollusiver Verhaltensweisen, was Unternehmen in ein schwieriges rechtliches Fahrwasser bringt.
Trotz dieser Herausforderungen bietet die CSRD auch Chancen: Sie zwingt Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken, fördert Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit und stärkt das Vertrauen der Stakeholder durch erhöhte Transparenz.
Die CSRD soll nach Willen der EU-Kommission eine Zeitenwende in der Unternehmensberichterstattung darstellen und darüber hinaus ein entscheidender Schritt hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem sein. Die Frage bleibt jedoch, angesichts globaler Krisen und Herausforderungen, wie Unternehmen diesen Übergang meistern und welche langfristigen Auswirkungen dies auf die globale Wirtschaftslandschaft haben wird.