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HSMA: Wie Google und Facebook die Reisewelt weiter digitalisieren

Mit Google unterwegs: Die Suchmaschine deckt alle Reisephasen über eigene Plattformen ab - im Uhrzeigersinn beginnend mit der Reise-Inspiration und endend mit der Reise-Reflektion. So wünscht es sich zumindest der US-Gigant.

München. Einerseits konnte man die zukunftsweisenden Vorträge über Google, Facebook und mehr beim "E-Marketing Day" der HSMA vor knapp zwei Wochen als pure PR werten, andererseits erlaubten sie einen guten Einblick in die nächsten Entwicklungsstufen der digitalen Reise-Welt. Social Networks und Suchmaschinen verschmelzen zu einer neuen eCommerce-Dimension. Hinzu kommt das enorme Tempo in der Mobile-Entwicklung. Konkret heisst das: Bei einer europäischen Fluggesellschaft kann man seit Anfang Februar den eigenen Sitznachbarn definieren, und in einem Stockholmer Hotel per Handy einchecken, das Zimmer betreten und alles per Handy bezahlen. Schöne neue Online-Welt?

"Die Realität wird digitalisiert werden," sagte Florian Bauhuber, Geschäftsführer des Instituts Tourismuszukunft in Aichach, voraus. Der Kühlschrank meldet online, dass Tomaten fehlen, und der Gast im Hotel teilt seiner Freundeswelt online mit, was er dort gerade erlebt. Seit 3. Februar können KLM-Passagiere sich auf ersten internationalen Strecken über das neue Programm "Meet & Seat" ihren Sitznachbarn aussuchen oder sich mit ihm vorab zu einem Café verabreden. Die Airline hat in ihren Buchungsprozess Social Media integriert: Flugreisende mit Reservierung geben aus ihrem Facebook- oder LinkedIn-Profil jene persönlichen Infos frei, die anderen Passagiere auch einsehen dürfen.

Die Teilnehmer der HSMA-Tagung quittierten die News lachend mit Fragen wie "Was kommt nach Social Seating? Social Sleeping? Share your room?" Denkbar ist angesichts dieser rasenden Technologie-Entwicklung vieles. Im Clarion Stockholm ist es dank "NFC Chip" inzwischen möglich, via Handy einzuchecken, die Zimmertür damit zu öffnen und alle Transaktionen im Hotel mobil zu begleichen. NFC steht dabei für "Near Field Communication", ein Funk-Standard, der 2002 entwickelt wurde. NFC verkörpert eine drahtlose Übertragungstechnik, die zum kontaktlosen Daten-Austausch zwischen Geräten mit nur wenigen Zentimetern Abstand dienen soll. Ihre Elektronik basiert u.a. auf dem RFID-Chip.

Dem Mobilgerät gehört die Zukunft. Stefan Niemeyer, Agenturleiter von IC Tourismus, rechnete in seinem Vortrag vor, dass 83% aller Deutschen heute ein Mobiltelefon haben, davon 32% ein Smartphone. Bis 2013 werden 20 Prozent ein Smartphone mit NFC-Chip haben, und diese NFC-Handys werden bis 2014 einen Umsatz von 2014 generieren. Zudem sind weitere Mobil-Bezahlsysteme wie "Google Wallet" im Anmarsch.

"f commerce" - das Symbol der Vernetzung

Das Mobilgerät im Westentaschen-Format wird unwiderruflich der ständige Begleiter des Menschen werden, vor allem natürlich des Reisenden. Seine Gewohnheiten gilt es zu analysieren, sein Verhalten zu steuern - vor allem sein Kaufverhalten. Der grösste "Freund" des gläsernen Reisenden könnte Facebook sein. Der Social Media-Gigant ist jetzt dabei, ihn jetzt auch noch auf indirektem Wege einzufangen - über Unternehmenswebsites. Das bisherige "Freundes-Portal" avanciert damit zum Bindeglied zwischen Social Commerce und eCommerce und macht daraus "f commerce", wie Jens Wiese, Chefredakteur des "inoffiziellen Facebook-Blogs" allfacebook.de es darstellte.

70% der User nutzen Facebook nach wie vor zur Kommunikation mit Freunden oder Familien. Erst 23% der Facebook-User nutzen das Medium zur Interaktion mit "Marken" - es gibt hier also noch sehr viel Potential. Allerdings räumte der Referent mit falschen Vorstellungen auf: So ergab eine Umfrage, dass die User beim Aufrufen von Marken-Websites primär Rabatte erwarten, während die Unternehmen davon ausgehen, dass sich die User für ihre Firma interessieren.

Stefan Niemeyer: NFC gehört die Zukunft.

Service für den Kunden, Ranking-Jagd für das Hotel

Am 29. Februar wird Facebook in den USA "Facebook Pages" vorstellen, ab April 2012 will man das Tool für die kostenfreien Unternehmensprofile dann weltweit live schalten. Bedenken à la George Orwell räumte Wiese emotionslos aus: Facebook wisse heute schon, wo der User ist - über Handy-Ortung. Selbst die Festnetz-IP-Nummer könne man schon dem Wohnort zuordnen…

Was steckt also hinter dem freundlich offerierten Gratis-Tool Facebook Pages? Die Unternehmen sollen so viele Infos wie möglich in ihr Profil geben, denn die Info-Vielfalt wird demnächst die Rankings beeinflussen. Und das beeinflusst Kauf-Entscheidungen. Das US-Unternehmen ist besessen vom Datensammeln - es ist seine Geschäftsbasis.

Seit einigen Monaten etwa gibt es bei Facebook USA eine neue Datenbank: Der "gefällt mir"-Button wird erweitert um "ich plane", "ich empfehle", "ich mache"… Die freundliche Absicht dahinter: "Der User soll eine noch grössere Story erzählen." Im Klartext: Wenn er seinen Freunden eine bestimmte Jeans-Marke "empfiehlt", ist das für den Jeans-Hersteller Gold wert. Oder besser noch: Er kann im Jeans-Laden erst einmal mobil über Facebook abfragen, welches die beliebteste Jeans in seinem Freundeskreis ist und danach seine Kauf-Entscheidung treffen. Hotels dürfen sich nun überlegen, wie sie diese neuen Planungs-, Empfehlungs- und Action-Buttons für ihre Zwecke nutzen können.

Jens Wiese: Alles wird 'f commerce' - facebook commerce…

Google-Portale steuern den Reisenden auf Schritt und Tritt

Und die Trends aus dem Google-Lager? Das Feld "Reisen" stellte bei den Google Adwords bereits die drittwichtigste Gruppe dar, erläuterte Tim Schütrumpf, Berater beim Institut Tourismuszukunft. Und die Suchmaschine trachtet danach, den Reisenden buchstäblich auf jedem Schritt zu begleiten. Dazu entwickelt es immer mehr Portale und kauft den benötigten Content - per Firmenübernahmen - mit ein.

Für den Reisenden kann das so aussehen: Wer ein Hotel in San Francisco wünscht, sucht auf Google Places; gleichzeitig erhält er die Angebote der OTAs, zusätzlich die Hotel-Bewertungen. Diese leiten gleich zu Streetview-Fotos weiter und zu Video-Kanälen wie YouTube. Letztere sind in den USA übrigens die erste Anlaufstelle bei der Hotel-Wahl.

Und die Entwicklung geht weiter: In den USA kann man inzwischen schon über Google einen Flug buchen. Wer das Suchwort "Flug von New York nach San Francisco" eingibt, landet direkt auf den Websites der jeweiligen Fluggesellschaften. OTAs sind hier bereits ausgesperrt. "Ein Fingerzeig für die Hotels!" machte Schütrumpf explizit aufmerksam, impliziert dies doch eine enorme Chance für den Direktvertrieb der Hotellerie.

NORDIC CHOICE EXPERIMENTIERT MIT MOBILE IT

Mehrere Hotels der Nordic Choice Hotels experimentieren derzeit mit neuen Technologien. Das Clarion Stockholm beispielsweise sammelt Erfahrungen mit den neuen NFC-Chips im Smartphones. Oscar Engeli, Senior Vice President Shared Services von Nordic Choice, glaubt aber, dass diese Technologie erst in zwei bis drei Jahren ausgereift sein wird, parallel zur Welle der verkauften iPhones. Deshalb experimentiert man heute noch parallel mit ähnlichen Lösungen von "Open Ways".
"Zehn Prozent der Gäste etwa, vor allem junge Gäste, nutzen die neue Mobiltechnologie, um einzuchecken, die Zimmertür zu öffnen oder im Hotel zu bezahlen." Probleme mit der Technik oder den Payment-Systemen habe man bislang nicht gehabt.
Andererseits sammeln budget-bewusste Hotels wie das Comfort Hotel Xpress Oslo damit Erfahrungen. Sie verkaufen ihre Zimmer nur über die eigenen Website. Nach der Reservierung erhält der Gast einen Access Code fürs Hotel bzw. sein Zimmer. Das nutzen bereits 60% der Gäste. Die neue IT lässt sich aber auch an ganz anderen Stellen ausprobieren, z.B. bei Verkaufsautomaten.
Oscar Engeli: In der Budget-Hotellerie nutzt man die neue IT zum Kostensparen, in der Luxushotellerie erhöht man damit das Gast-Erlebnis. / map

In den USA lassen sich ausserdem bereits für fünf Städte "Google City Pages" aufrufen. Diese Seiten sind z.B. verknüpft mit Deal-Portalen oder mit Restaurant-Führern. Will der Tourist in San Francisco wissen, in welcher Richtung er weiterfahren/-laufen muss, ruft er "Google maps" auf, das in den USA neben Routen-Berechnung und Fussgänger-Modus auch schon die Bus-Verbindungen aufzeigt. In den USA kann man auch schon über City Pages Kinofilme in der Stadt aufrufen.

Die neue Click-Gesellschaft

Der online gesteuerte Reisende wird damit Realität. Die nächste Generation, die "digital natives", werden das alles für selbstverständlich hinnehmen. Und da überwiegend US-Unternehmen ohne Interesse am Datenschutz hier die Treiber im Markt sind, wird sich vermutlich auch niemand mehr darüber aufregen.

Die Hotels als Dienstleister und Produkt-Anbieter geraten damit immer stärker in die Fänge der Suchmaschinen- und Social Media-Giganten. Und sie werden für jeden Clickzahlen. Google ist dabei, seinen momentan noch rudimentären "Google Hotel Finder" weiter auszubauen und im oben beschriebenen Sinne immer mehr Portale miteinander zu verknüpfen. Dem Reisenden wird dies als sensationeller Service verkauft - der Hotelier muss zahlen. Er wird künftig nicht mehr für Buchungen zahlen, sondern für Click-Volumina. Bei HRS zahlt er für getätigte Buchungen, bei Facebook und Google für seine schlichte Präsenz, ohne das Geschäft in der Tasche zu haben.

Auf den Hotel-Vertrieb kommt eine neue, ganz andere Dimension zu. Aufklärende Tagungen wie der E-Marketing Day der HSMA sind willkommene, wegweisende Info-Plattformen. / map

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Augsburg. Der Hype um Social Media scheint ungebrochen, es mehren sich allerdings die kritischen Stimmen. Selbst Insidern macht die Geschwindigkeit der Entwicklung inzwischen zu schaffen. Was bedeutet es, wenn TripAdvisor sich mit Facebook vernetzt, wenn Google plötzlich auch Hotelbewertungen ermöglicht und damit zum Konkurrenten von TripAdvisor wird? Welchen Weg schlagen diese Giganten überhaupt ein? Für die Hotellerie bedeutet es jedenfalls, genauer als je zuvor hinzuschauen und zu versuchen, die Zusammenhänge zu verstehen. Denn die Internet-Suchmaschinen sind dabei, massiv in den Vertrieb der Hotels einzugreifen, Hotelbewertungs-Plattformen und die sozialen Netzwerke reissen Content an sich. Nach HRS & Co. läuft der Hotelier erneut Gefahr, die Kontrolle zu verlieren - dieses Mal aber nicht nur über den Preis, sondern auch noch über die Steuerung seiner Inhalte und die Reputation seines Hauses im Netz. Marco Nussbaum, CEO der prizeotel Management GmbH in Bremen und Social Media-"Aktivist", füllt sein Budget-Hotel über die neuen Kanäle, doch auch er hinterfragt das Tun von Facebook, Google & Co. kritisch - ebenso wie Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland. Beide nehmen auch an der Diskussionsrunde "Social Media & Hotelbewertungsplattformen" an der ITB-Hotelkonferenz am 10. März teil.

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