Der Weihnachtsbaum gehört zu den Feiertagen. Unter dem Titel "Forderungen zur Bundestagswahl 2025" präsentiert der Deutsche Tourismusverband (DTV) eine Mischung aus altbekannten Anliegen, ambitionierten Visionen und, na ja, Träumen, die vor allem in Zeiten globaler wirtschaftlicher Unsicherheiten noch unrealistischer erscheinen als zuvor.
Die altbekannten Evergreens "Bürokratie-Abbau", "Investitionen in Infrastruktur" und die "Sicherung der kommunalen Finanzkraft" – diese Klassiker dürften den meisten Entscheidungsträgern mittlerweile im Schlaf geläufig sein. Der DTV fordert etwa die Einführung eines "Bürokratie-TÜV", um Planungs- und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen und zu verschlanken. Dabei bleibt offen, wie diese Zielsetzung mit der bisherigen administrativen Realität in Einklang gebracht werden soll. Das Prinzip "one in, one out" für neue Regulierungen klingt zwar schön, scheitert jedoch oft an der Komplexität europäischer Vorgaben.
Gute Ideen, aber keine Innovationen
Auch die Forderung nach massiven Investitionen in die Infrastruktur – von Schienen über Strassen bis hin zu Rad- und Wanderwegen – ist ein Dauerbrenner. "Ohne eine nachhaltige Mobilität im Deutschland-Tourismus können die Klimaziele nicht erreicht werden", heisst es in der Veröffentlichung. Richtig, aber angesichts chronisch unterfinanzierter Verkehrsprojekte bleibt die Frage: Wer soll das bezahlen? Und wie realistisch ist es, dass die nötigen Mittel in absehbarer Zeit bereitgestellt werden können? Zudem ist Radwege-Bau kommunale Angelegenheit und die deutsche Hauptstadt ist geradezu das Paradebeispiel für die schleppende Umsetzung oder gar den Abbau von Radwegen.
Neu, ambitioniert und … unrealistisch? Besonders innovativ muten einige der neueren Forderungen an. Der DTV möchte eine "digitale Datenplattform" schaffen, die alle touristischen Daten zentral erfasst und bereitstellt. Eine schöne Idee, die allerdings enorme Investitionen und eine enge Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure voraussetzt – beides bislang nicht unbedingt die Stärken des deutschen Verwaltungsapparats. Dabei stellt sich die Frage, wie schnell ein solches Vorhaben in einer ohnehin trägen Verwaltungslandschaft umgesetzt werden könnte.
Ein weiteres Highlight: die Forderung nach einem bundesweiten Aktionsplan für barrierefreie touristische Angebote. Dabei soll es gezielte Fördermittel für Kommunen und Betriebe geben. Auch hier zeigt sich die Ambivalenz der Forderungen: Der Wunsch ist zweifellos berechtigt, doch die praktische Umsetzung steht – gerade in ländlichen Regionen – vor erheblichen Hindernissen. Woher sollen die nötigen Fachkräfte und Ressourcen kommen, um barrierefreie Infrastrukturen flächendeckend bereitzustellen?
Ein drittes Beispiel für ambitionierte, aber schwer realisierbare Pläne ist die Schaffung einer Ressort-übergreifenden Tourismusstrategie. "Eine solche Strategie würde die Bedeutung des Tourismus in Deutschland endlich angemessen berücksichtigen", betont der Verband. Doch wie oft sind ähnliche Ansätze schon an den Mühlen der Bürokratie und der Konkurrenz der Verbände gescheitert?
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Nicht alle Forderungen des DTV sind gleichermassen ambitioniert. So wirkt die Forderung nach einer "fokussierten, kurzfristigen Erarbeitung einer echten nationalen Tourismusstrategie" geradezu bescheiden im Vergleich zu anderen Punkten. Dass eine solche Strategie nötig ist, wird kaum jemand bestreiten. Doch auch hier bleibt fraglich, ob die Regierung in der Lage ist, diese innerhalb einer Legislaturperiode wirkungsvoll umzusetzen. Ebenso bleibt offen, wie die finanziellen Mittel für die begleitenden Massnahmen bereitgestellt werden können.
Auch der Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) steht auf der Liste der Forderungen. Insbesondere das DeutschlandTicket soll weitergeführt und langfristig finanziert werden. Doch angesichts steigender Kosten und knapper Kassen könnte dies zu einer erheblichen Belastungsprobe für Bund und Länder werden, zumal eine langfristige Sicherung des Deutschlandtickets keineswegs ausgemacht ist.
Abhängigkeit von der Weltwirtschaft
Ein besonderer Stolperstein bleibt die zunehmende Abhängigkeit des deutschen Tourismus von der Weltwirtschaft. Die Anwerbung internationaler Fachkräfte – ein zentrales Anliegen – wird nicht einfacher, wenn globale wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheiten zunehmen. "Deutschland braucht schlanke und digitale Visa-Verfahren", betont der DTV. Doch diese Forderung konkurriert mit der Realität der deutschen Bürokratie, die oft mehr Zeit und Ressourcen kostet als internationalen Bewerbern lieb ist. Hier wäre nicht nur ein Umdenken, sondern auch ein entschlossener Reformkurs – möglicherweise mit der viel beschworenen Kettensäge – erforderlich.
Zudem bleibt der Tourismus stark von globalen Reise-Bedingungen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Schwankende Energiepreise, geopolitische Krisen und wechselhafte Konsumtrends könnten auch weiterhin den Spielraum für eine nachhaltige Tourismus-Entwicklung einschränken. In einer vernetzten Weltwirtschaft wird die Resilienz des Sektors mehr denn je auf die Probe gestellt.
Die Forderungen des DTV zur Bundestagswahl 2025 sind wie ein gut gemeintes Reisemagazin: voller inspirierender Bilder, aber nicht immer realitätsnah. Während manche Anliegen – etwa der Ausbau des ÖPNV oder die Flexibilisierung von Arbeitszeiten – realistisch erscheinen, wirken andere wie ferne Traumziele, die ohne erhebliche strukturelle Reformen kaum erreichbar sind. Doch eines bleibt klar: Ohne mutige Entscheidungen der Politik bleibt die Liste auch in vier Jahren aktuell – und wird sicher erneut eingereicht. Vielleicht mit neuen Schlagwörtern, aber denselben Grundanliegen.