"Wünsch Dir Was" der Tourismuswirtschaft

"Wünsch Dir Was" der Tourismuswirtschaft

Politik INSIDE Berlin: Kolumne von Frank Tetzel

Kolumne Politik Inside Berlin Frank Tetzel / c Aron Marinelli, unsplash
/ © Aron Marinelli, unsplash

Diese Wochen sind bereits Teil der deutschen, heissen Vorlaufphase für die Neuwahlen in Deutschland am 23. Februar 2025. Die Tourismuswirtschaft hat vor Weihnachten erneut die Forderungsliste zur Bundestagswahl aktualisiert – Träume sind aber vorbei. 

Der Weihnachtsbaum gehört zu den Feiertagen. Unter dem Titel "Forderungen zur Bundestagswahl 2025" präsentiert der Deutsche Tourismusverband (DTV) eine Mischung aus altbekannten Anliegen, ambitionierten Visionen und, na ja, Träumen, die vor allem in Zeiten globaler wirtschaftlicher Unsicherheiten noch unrealistischer erscheinen als zuvor.


Die altbekannten Evergreens "Bürokratie-Abbau", "Investitionen in Infrastruktur" und die "Sicherung der kommunalen Finanzkraft" – diese Klassiker dürften den meisten Entscheidungsträgern mittlerweile im Schlaf geläufig sein. Der DTV fordert etwa die Einführung eines "Bürokratie-TÜV", um Planungs- und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen und zu verschlanken. Dabei bleibt offen, wie diese Zielsetzung mit der bisherigen administrativen Realität in Einklang gebracht werden soll. Das Prinzip "one in, one out" für neue Regulierungen klingt zwar schön, scheitert jedoch oft an der Komplexität europäischer Vorgaben.


Gute Ideen, aber keine Innovationen

Auch die Forderung nach massiven Investitionen in die Infrastruktur – von Schienen über Strassen bis hin zu Rad- und Wanderwegen – ist ein Dauerbrenner. "Ohne eine nachhaltige Mobilität im Deutschland-Tourismus können die Klimaziele nicht erreicht werden", heisst es in der Veröffentlichung. Richtig, aber angesichts chronisch unterfinanzierter Verkehrsprojekte bleibt die Frage: Wer soll das bezahlen? Und wie realistisch ist es, dass die nötigen Mittel in absehbarer Zeit bereitgestellt werden können? Zudem ist Radwege-Bau kommunale Angelegenheit und die deutsche Hauptstadt ist geradezu das Paradebeispiel für die schleppende Umsetzung oder gar den Abbau von Radwegen.


Neu, ambitioniert und … unrealistisch? Besonders innovativ muten einige der neueren Forderungen an. Der DTV möchte eine "digitale Datenplattform" schaffen, die alle touristischen Daten zentral erfasst und bereitstellt. Eine schöne Idee, die allerdings enorme Investitionen und eine enge Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure voraussetzt – beides bislang nicht unbedingt die Stärken des deutschen Verwaltungsapparats. Dabei stellt sich die Frage, wie schnell ein solches Vorhaben in einer ohnehin trägen Verwaltungslandschaft umgesetzt werden könnte.


Election, ballot

In diesem Jahr stehen die Bürger vor einer schwierigen Wahl.Vilius Kukanauskas, Pixabay

Election, ballot

Ein weiteres Highlight: die Forderung nach einem bundesweiten Aktionsplan für barrierefreie touristische Angebote. Dabei soll es gezielte Fördermittel für Kommunen und Betriebe geben. Auch hier zeigt sich die Ambivalenz der Forderungen: Der Wunsch ist zweifellos berechtigt, doch die praktische Umsetzung steht – gerade in ländlichen Regionen – vor erheblichen Hindernissen. Woher sollen die nötigen Fachkräfte und Ressourcen kommen, um barrierefreie Infrastrukturen flächendeckend bereitzustellen?


Ein drittes Beispiel für ambitionierte, aber schwer realisierbare Pläne ist die Schaffung einer Ressort-übergreifenden Tourismusstrategie. "Eine solche Strategie würde die Bedeutung des Tourismus in Deutschland endlich angemessen berücksichtigen", betont der Verband. Doch wie oft sind ähnliche Ansätze schon an den Mühlen der Bürokratie und der Konkurrenz der Verbände gescheitert?


Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Nicht alle Forderungen des DTV sind gleichermassen ambitioniert. So wirkt die Forderung nach einer "fokussierten, kurzfristigen Erarbeitung einer echten nationalen Tourismusstrategie" geradezu bescheiden im Vergleich zu anderen Punkten. Dass eine solche Strategie nötig ist, wird kaum jemand bestreiten. Doch auch hier bleibt fraglich, ob die Regierung in der Lage ist, diese innerhalb einer Legislaturperiode wirkungsvoll umzusetzen. Ebenso bleibt offen, wie die finanziellen Mittel für die begleitenden Massnahmen bereitgestellt werden können.


Auch der Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) steht auf der Liste der Forderungen. Insbesondere das DeutschlandTicket soll weitergeführt und langfristig finanziert werden. Doch angesichts steigender Kosten und knapper Kassen könnte dies zu einer erheblichen Belastungsprobe für Bund und Länder werden, zumal eine langfristige Sicherung des Deutschlandtickets keineswegs ausgemacht ist.


Abhängigkeit von der Weltwirtschaft

Ein besonderer Stolperstein bleibt die zunehmende Abhängigkeit des deutschen Tourismus von der Weltwirtschaft. Die Anwerbung internationaler Fachkräfte – ein zentrales Anliegen – wird nicht einfacher, wenn globale wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheiten zunehmen. "Deutschland braucht schlanke und digitale Visa-Verfahren", betont der DTV. Doch diese Forderung konkurriert mit der Realität der deutschen Bürokratie, die oft mehr Zeit und Ressourcen kostet als internationalen Bewerbern lieb ist. Hier wäre nicht nur ein Umdenken, sondern auch ein entschlossener Reformkurs – möglicherweise mit der viel beschworenen Kettensäge – erforderlich.


Zudem bleibt der Tourismus stark von globalen Reise-Bedingungen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Schwankende Energiepreise, geopolitische Krisen und wechselhafte Konsumtrends könnten auch weiterhin den Spielraum für eine nachhaltige Tourismus-Entwicklung einschränken. In einer vernetzten Weltwirtschaft wird die Resilienz des Sektors mehr denn je auf die Probe gestellt.


Die Forderungen des DTV zur Bundestagswahl 2025 sind wie ein gut gemeintes Reisemagazin: voller inspirierender Bilder, aber nicht immer realitätsnah. Während manche Anliegen – etwa der Ausbau des ÖPNV oder die Flexibilisierung von Arbeitszeiten – realistisch erscheinen, wirken andere wie ferne Traumziele, die ohne erhebliche strukturelle Reformen kaum erreichbar sind. Doch eines bleibt klar: Ohne mutige Entscheidungen der Politik bleibt die Liste auch in vier Jahren aktuell – und wird sicher erneut eingereicht. Vielleicht mit neuen Schlagwörtern, aber denselben Grundanliegen.



Wahlkampf 2025: Die Forderungen des Dehoga und der Denkfabrik 


Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga Bundesverband) fordert von der neuen Regierung eine einheitliche Besteuerung von Essen mit dem ermässigten Satz für eine lebendige und vielfältige Gastro-Kultur. Und mehr… 


Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie von 7 auf 19% (zum 1. Januar 2024) stösst in der Bevölkerung auch jetzt noch auf breite Ablehnung. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des Dehoga. Mehr als zwei Drittel (67,7%) der Befragten bewerten die Massnahme als ungerechtfertigt.


Besonders betroffen von der Erhöhung der Mehrwertsteuer sind Menschen mit geringerem Einkommen, die nun seltener gastronomische Angebote nutzen. Die neue INSA-Studie belegt zudem die grosse Bedeutung von Restaurants, Wirtshäusern und Biergärten für die Lebensqualität jedes Einzelnen als auch für Städte und Gemeinden. 82,7% der Befragten würden es bedauern, wenn gastronomische Betriebe in ihrer Region schliessen müssten. 



Die Ergebnisse im Detail

Massive Ablehnung der Steuererhöhung: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wird von 67,7% der Befragten und damit einer absoluten Mehrheit als eher (29 ,2%) oder absolut ungerechtfertigt (38,5%) angesehen. Nur 19,8% empfinden dies als absolut (5,3%) oder eher gerechtfertigt (14,5 %). 6,4% ist dies egal, 4,8% wissen es nicht, und 1,5% wollen dazu keine Auskunft tätigen.


Rückgang der Restaurant-Besuche: 44,4% der Umfrageteilnehmer haben aufgrund der Mehrwertsteuer-Erhöhung gastronomische Betriebe im Jahr 2024 seltener besucht als noch im Jahr zuvor, 45,7% haben dies nicht getan. 8% wissen es nicht und weitere 1,8% wollen sich nicht äussern.


Mehrwertsteuer-Erhöhung trifft Geringverdiener besonders hart: Die Umfrage zeigt auch, dass vor allem Menschen mit niedrigerem Einkommen auf Restaurant-Besuche verzichten müssen. 53% der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen bis 1.000 Euro gaben an, aufgrund der Mehrwertsteueranpassung seltener auswärts essen zu gehen. In der Einkommensklasse 4.000 Euro und mehr sagten dies "nur" 38,7%. 


Restaurants für Lebensqualität: Das Vorhandensein von Restaurants, Wirtshäusern und/oder Biergärten für ihre Lebensqualität im jeweiligen Wohnort ist den Befragten zu 35,3% eher und zu 23,7% sehr wichtig. Dies ergibt eine absolute Mehrheit von 59%. Etwa ein Viertel (23,1%) ist hier neutral und lediglich 15,2% sind der Meinung, dass diese eher (8,5%) oder sehr unwichtig (6,7%) für ihre Lebensqualität sind. 2,7% können oder wollen sich nicht festlegen.


Gastronomie-Betriebe haben Relevanz: Insgesamt 82,7% der Befragten würden es sehr (46,2%) bzw. etwas (36,5%) bedauern, wenn gastronomische Betriebe in ihrer Region schliessen müssten. Lediglich 11,4% würden kein Bedauern empfinden, 4,5% wissen es nicht und 1,4% wollen dazu keine Auskunft tätigen.


Essengehen ist fest verankert: 88,6% der Befragten geben an, dass sie die Gastronomie regelmässig nutzen. Davon gehen 22,2% der Befragten einmal im Monat essen, 20,1% mehrmals im Monat, 11% einmal in der Woche und 5,2% mehrmals in der Woche. 30,1% der Umfrageteilnehmer gehen durchschnittlich seltener als einmal im Monat in Restaurants, Wirtshäuser oder Biergärten, um dort zu essen. Nur 8,9% nutzen gar nicht die Gastronomie. 2,4% können oder wollen sich dazu nicht äussern. Die repräsentative Befragung von 2.002 Personen aus ganz Deutschland fand zwischen dem 13. und 16. Dezember 2024 statt. 



Weitere Forderungen aus der Branche

Aus mehr als 30 aktuellen Branchenthemen hat der Dehoga neben der Mehrwertsteuer fünf weitere drängende Handlungsfelder identifiziert: 

  • Flexibilität ermöglichen: Wochenarbeitszeit jetzt!
  • Neue Bürokratie stoppen, überflüssige Reglementierungen schnell und spürbar abbauen!
  • Löhne dürfen nicht Spielball der Politik sein!
  • Arbeit muss sich wieder lohnen! Mehr Netto vom Brutto!
  • Mit Arbeit zur Integration, Visa-Verfahren beschleunigen!  


Pop-up-Aktion der Denkfabrik DZG in Berlin 

Am gestrigen Donnerstag präsentierte die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025. Ein zentraler Bestandteil der Veranstaltung war neben der Vorstellung des Papiers und der Kampagne eine Fotoaktion vor dem Kanzleramt sein, um gemeinsam ein starkes Zeichen für die Bedeutung der Gastwelt zu setzen. Zentrale Forderungen sind: 


  • Massnahmen zur Kostenentlastung, darunter ein Maut-Moratorium und die Reduzierung der Stromsteuer. 
  • Die Einrichtung eines Staatsministers oder einer Staatsministerin für Tourismus im Kanzleramt, um die fragmentierten Zuständigkeiten zu bündeln und politische Effizienz zu stärken.
  • Einen Investitions-Boost durch eine Gastwelt-Förderbank und ein Sonderprogramm für Innovation und Nachhaltigkeit.
  • Eine Fachkräfteoffensive, um dringend benötigte Talente für die Branche zu gewinnen. 
  • Die Ende 2024 ausgelaufene Inflationsausgleichsprämie oder ein vergleichbares Modell neu aufzulegen, um die Kaufkraft der Verbraucher zu stärken. / red

Autor

Frank Tetzel

Frank Tetzel

schreibt u.a. über Nachhaltigkeit, Internationale Politik, aber auch über die Entwicklung von Städten und das Thema Tourismus und Hotellerie. Zudem ist er bestens vernetzt im politischen Berlin.

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