Finanzierer, Projektentwickler, Betreiber, Institutionen: Beim Thema ESG sollten möglichst alle in einem Boot sitzen, doch Fortschritte müssen offensichtlich noch erzwungen werden. Drei bekannte Köpfe bereiteten das Entrée: Glenn Mandziuk, CEO der Sustainable Hospitality Alliance (SHA); Sven Wiltink, Global Senior Director Sustainability bei der Radisson Hotel Group (RHG) und Willem van der Zee, Director of Operations Belgium bei Pandox.
Ihre Unternehmen setzen sich schon seit vielen Jahren mit ESG auseinander und haben sich Klimaziele gesetzt: Der Owner-Operator Pandox beispielsweise will bis 2030 die CO2-Emissionen im operativen Bereich um 42% reduzieren, bei den Immobilien um 25%. Dies werde u.a. durch sparsamere Geräte, weitere Automatisierung und sechs neue Indikatoren in den Bereichen Lebensmittelabfälle, Einsatz von Chemikalien, Wärme, Licht, Strom/Energie und Wasserverbrauch erreicht. Darüber hinaus arbeite man an einem siebten Indikator im Bereich Mitarbeiter und Soziales. Als Eigentümer behält Pandox zudem einen Blick auf die Immobilie, z.B. unter dem Aspekt, wie viel Energie sich bei einer Renovierung einsparen lässt oder welche nachhaltigen Materialien man im Bau verwenden kann.
Den Eigentümern Vorschläge machen
"Engagement ist der einfachste Weg", um solche Ziele umzusetzen, unterstrich Sven Wiltink. Dabei sei die Kommunikation mit dem Immobilien-Eigentümer wichtig, man müsse sich gegenseitig informieren, was der andere unternehme. "Wir haben gesehen, dass wir es nicht alleine schaffen können." Zehn Prozent des Fussabdrucks der Branche stamme aus dem operativen Bereich, der Rest von den Gebäuden. Als Betreiber analysiere man jedes Haus der über 600 Eigentümer und suche das Gespräch mit ihnen.
Radisson versucht, Nachhaltigkeits-Klauseln in die Verträge aufzunehmen und unterbereitet Eigentümern Vorschläge, wie sie ihre Immobilien in Netto-Null-Immobilien verwandeln können. Hier kämpft aber selbst eine grosse Hotelgruppe wie RHG mit 1.100 Hotels immer noch gegen die starke Lobby und die Überzeugungskraft der Immobilien-Branche. Die Hotellerie muss enger zusammenarbeiten und ihre Grösse demonstrieren, fordert er.
Am Schulterschluss der Branche mit vielen anderen politischen Institutionen, Hotelgruppen, Zulieferern, der produzierenden Industrie arbeitet Glenn Mandziuk seit einem Jahr unermüdlich – seitdem er zum CEO der SHA berufen wurde. "Wir werden als nicht nachhaltige Branche betrachtet, sondern als eine, die von Übertourismus bedroht ist", stellte er in Berlin enttäuscht fest. Und leider sei die Tourismus-Branche sehr fragmentiert. Das sei schon lange bekannt, aber sie habe aus der Vergangenheit nichts gelernt. Erst die jüngsten Krisen hätten den Drang zur Veränderung verstärkt. "Wir sind keine Konkurrenten [beim Thema Nachhaltigkeit], wir müssen zusammenarbeiten, eine Form für diese Verbindung schaffen." Die Branche müsse dem Markt einheitlich signalisieren, dass sie das Thema ESG ernst nehme. "Wir haben ein Interesse daran, dass dies gelingt, sonst gibt es unsere Branche nicht mehr."
Mehr Tempo und Tools
Teil der 5-Jahres-Strategie der SHA ist es, einen Simulator zu entwickeln, der den Hotels Wege zur Optimierung aufzeigt – genauso wie sie bereits Messinstrumente zur Verfügung stellt. Events wie der HITT würden dazu beitragen, das Verständnis zwischen den verschiedenen Parteien zu fördern. "Dazu müssen wir auch die Kluft zwischen Eigentümern und Betreibern überwinden." Und dazu müssten Erfolgsstorys multipliziert werden.
Neben der – nicht kostengünstigen – Optimierung von Immobilien, z.B. anhand von Simulationswerkzeugen digitale Zwillinge zu erstellen und Prozesse zu optimieren, flossen weitere Punkte in die Diskussion ein, etwa soziale Projekte, die Einbindung der Kommunen und grüne Finanzierungsmodelle.
Xenia zu Hohenlohe von der Considerate Group rief u.a. dazu auf, das Thema ESG zu stärken, indem mehr Frauen in Vorstandsetagen berufen würden und Zaneta Sedilekova, eine junge Juristin in der Kanzlei Climate Law Lab, forderte mehr Verantwortung im Vorstand durch ein ganz anderes Bild ein: So nahm in einem Unternehmen (einer anderen Branche) "die Natur" Platz im Vorstand, vertreten durch die Stimme einer Frau. Andere hätten "den Atlantik" im Vorstand.
Eines machten die Diskussionen klar: Alle (!) Branchen-Teilnehmer sind aufgerufen, mit vereinten Kräften am Thema ESG zu arbeiten, Daten zu erfassen und vor allem auch zu teilen. "Im Augenblick sitzt noch jeder in seinem eigenen Raum und will gar nicht wissen, was auf ihn zukommt, weil es zu heiss ist," brachte Anthony Williams vom Buro Happold Engineering das Dilemma auf den Punkt. "Zusammenarbeit ist unerlässlich, und sie wird vertraglich geregelt werden müssen."
Verpflichten Sie sich selbst!
Eric Hofmeister, Head of Global Lodging Procurement bei Siemens und ebenfalls als Impulsgeber mit an Bord, brachte noch einen anderen Aspekt ins Spiel: "Die Kernaussage ist, dass man sich manchmal dem Widerstand beugen muss. Nehmen Sie die Veränderung an, bekämpfen Sie Ihren inneren Widerstand." Hofmeister war einer der ersten, der zum Abschluss des HITT von jedem Unternehmen ein Commitment forderte: Nur konkret formulierte Meilensteine treiben das Tempo – und diese sind dann ebenfalls messbar. Das gilt eben auch für Leader. Oder sie sind keine Leader.
Der HITT 2023 fühlte damit einmal mehr den Puls der Zeit. Was diesen Think Tank vom letztjährigen unterscheidet, war die entschiedene Entschlossenheit der Teilnehmer, definitiv die Ärmel hochzukrempeln und noch mehr Kollegen aus Operation wie Real Estate und Finanzierung mit ins Boot zu holen! Und das länderübergreifend. Der Klimawandel macht nicht an Landesgrenzen halt.
HospitalityInside bedankt sich bei all seinen Teilnehmern, Experten und den Sponsoren dafür, dass sie dazu beitragen, über den Think Tank die Kern-Botschaften der Nachhaltigkeit weiter zu multiplizieren. Aus der kleinen Bewegung muss eine grosse werden. Auch daran wird der HITT arbeiten. Deshalb haben wir aktuell den neuen Termin und die Location für den nächsten Think Tank im Jahr 2024 noch nicht definiert. / map, sst
GENIESSEN SIE DEN HITT:
WEITERE AKTUELLE FOTOS ZUM HITT 2023, in Ergänzung zu den ersten Impressionen der vergangenen Woche. Diese Bilder finden Sie als Video-Gallerie hier.