Als ich das erste eigene Food Konzept entwickelt habe, habe ich meinen Küchenchef Carsten gefragt: "Was soll auf die Speisekarte?" Es kamen die üblichen Vorschläge von Gerichten, die er von vorherigen Restaurants kannte und die gut liefen. Die Küche wurde entsprechend seinen Vorstellungen gebaut und teuer eingerichtet, alles basierend auf seinen persönlichen Erfahrungen. Eine Zeit lang funktionierte es, aber dann gab es einen Wechsel und der neue Küchenchef monierte – vielleicht zu Recht –, dass die Küche so nicht gut funktioniert. Die Karte wurde geändert und das Spiel ging von Neuem los. Die Reaktion der Gäste: "Gestern war es anders. Habt ihr einen neuen Küchenchef? Der alte war aber besser."
Deswegen stellt sich die Frage: Wie kann das vermieden werden und was wäre der richtige Ansatz? Drei Grundprobleme sehe ich in der Konzept-Entwicklung, speziell in der Hotellerie:
> Timing:
In der Hektik der Planung von Hotels spielt die Gastronomie oft eine untergeordnete Rolle. Die meisten Planungsbeteiligten sind auch nicht besonders auf Gastro fokussiert. Selbst bei den Hoteliers wird sie meist als ein notwendiges Übel und oft als verlustreicher Service angesehen. Die "Black Box Gastronomie" wird immer noch häufig zu spät im Bauprozess betrachtet, und es entsteht der Eindruck, dass dieser Bereich kompliziert und teuer in der Erstellung ist.
Es stimmt – die Gastronomie wird nie die Profitmarge bringen können wie die Zimmer, aber sie muss auch nicht das Kostengrab sein, wie es manchmal den Anschein hat. Die technischen Anforderungen an das Gebäude durch die Gastronomie sind hoch. Die Logistikflächen, die Boden-Abdichtungen für die Küchen, die Fett-Abluftschächte, der Standort für Fettabscheider, der erhöhte Energiebedarf, der Gasanschluss etc. bedeuten Aufwand. Aber rechtzeitig und integriert in die Gesamtplanung ist dieser berechenbar. Im Nachgang durch 15 Stockwerke einen Schacht für die Fettabluft zu bauen, ist teuer.
Gastronomie sollte von Anfang an ein Teil der Planung sein. Es sollte aber vor allem eine bewusste strategische Entscheidung sein und nicht nur ein Alibi. Nur dann ist Gastro teuer und überflüssig.
> Strategie:
Wer plant ein Hotel, ohne das Marktpotenzial, die Positionierung und die langfristige Strategie festgelegt zu haben? Wohl keiner. Zu oft wird der Ansatz nicht auf das F&B-Konzept übertragen.
Strategie ist kein Plan, sondern es ist die Philosophie des Werdens, wie der Unternehmer und Marketing-Profi Seth Godin es so treffend beschreibt. Was soll werden, lautet also die Frage. Und welche Rahmenbedingungen und welches Setup ermöglichen die Umsetzung?
Checken wir also die wichtigsten Punkte: Welche Funktion soll die Gastronomie haben? Ist es ein Service für mein Hotelprodukt oder ein Profitcenter? Sollen externe Gäste angesprochen werden? Gastronomie muss immer auch einen wirtschaftlichen Erfolgsanspruch haben. Nur dann ist sie gut.
Es hilft folgende Gedankenübung: Was müsste die Gastronomie an USPs haben, damit Gäste kommen, selbst wenn es kein Hotel darüber gäbe? Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass es ein eigenes Profitcenter sein muss. Die Überlegung sollte nicht lauten, was man alles anbieten will, sondern mit welchen beschränkten Mitteln man das Maximale erreichen kann.
Das hat zur Folge, dass wir eine Küche mit einer gewissen maximalen Anzahl an Mitarbeitenden planen. Wir leiten also nicht aus der Summe der möglichen Umsätze und Ausnahmen ab, wie viele wir brauchen, sondern definieren mit den technisch neuen Möglichkeiten und mit einer fixen Anzahl an Mitarbeitenden eine maximale Output-Menge. Die Messgröße sind nicht die Ausnahmen, sondern der Median. Das Weglassen ist die Herausforderung. Dann ist Gastronomie kein Zufallsprodukt, sondern ein geplantes Werden.
> Konsequenz:
Erfolgreiche Konzepte sind konsequent. Sie folgen ihrer Strategie und setzen sie entschlossen um. Das bedeutet nicht, dass es nur noch Monoprodukt-Gastro geben muss. Auch die Vielfalt kann ein USP sein, wie man es von Ganztages-Konzepten kennt. Aber im Hintergrund steht eine geplante Systematik am Produkt- und Warenkorb-Portfolio, die es erlaubt, effizient und vor allem wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Da wedelt nicht der Schwanz mit dem Hund.
Zu oft wird aus den Anforderungen alles abgeleitet. 30 Gerichte auf der Speisekarte bestimmen den Warenkorb, die Küchengeräte, den Platzbedarf, die Mitarbeiteranzahl und die Investition. Oder es werden Ausnahmen wie mögliche große Events herangezogen. Daraus ergeben sich dann eine Vielzahl an Bedingungen, die als gegeben angesehen werden.
Aber es sollte genau andersherum gedacht werden. Was sind die Parameter, die die Gastronomie wirtschaftlich machen? Wie kann ich das Kostenrisiko minimieren und wie viel Volatilität lässt meine Kostenstruktur zu, bevor ich in tiefroten Zahlen stehe?
So herum gedacht wäre die Konsequenz, ein Mitarbeiter-Raster zu erstellen, das mein Kostenrisiko reflektiert, und sich dann die Aufgabe zu stellen, was an Technologie notwendig ist, um die durchschnittliche Menge an Gästen pro Stunde zu bedienen? Mit welchem Angebot lässt sich ein attraktives Angebot gestalten, um Gäste unabhängig vom Hotel anzuziehen? Konsequente Konzepte machen es den Gästen einfacher: Sie können sich dafür oder dagegen entscheiden.
Durch diese Bottom-up-Strategie ergibt sich dann auch eine komplett andere Küchen- und Restaurant-Planung. Es wird nicht mehr für alle Situationen geplant, sondern für die eine, die strategisch, konzeptionell und wirtschaftlich vorgegeben ist.
Daher gilt es die Rolle von Köchinnen und Köchen neu zu definieren: Sie müssen zum Konzept passen und nicht andersherum. Durch eine klare Konzeptionierung gibt es Klarheit für alle Beteiligten. Die Mitarbeitenden kennen die Erwartungshaltung und können sich dafür entscheiden. Die Planer und Küchenplaner können zielgerichtet planen und überflüssige Eventual-Positionen eliminieren.
Ein gutes Gastronomie-Konzept ist systemisch, zielorientiert und gibt Rahmenbedingungen vor, in denen sich dann die Mitarbeitenden kreativ entfalten können – für eine emotionale und erfolgreiche Gastronomie. / kn