
Ihr Thema lockte 550 Besucher an - ein Rekord am ITB Hospitality Day 2015. Von links: Emile Bootsma vom Adlon Kempinski Berlin, Dina Soliman von der InterContinental Hotels Group, Michael Struck von Ruby Hotels und Moderatorin Claudia Roth.
Berlin. Luxus und Lifestyle und Budget und Lifestyle widersprechen sich nicht, beide Segmente bilden in der Branche inzwischen die unterschiedlichsten Symbiosen. Eines haben Konzepte wie das Adlon Kempinski in Berlin oder die Marken Indigo und Ruby dabei gemein: Sie setzen intensiv auf die Kommunikation mit dem Gast und auf diejenige über ihre Häuser. "Der Mega-Trend Lifestyle wird unsere Welt grundlegend und langfristig verändern." Dieser Aussage stimmten 70 Prozent der Zuhörer des "Luxus/Budget-Lifestyle-Panels" beim 10. "ITB Hospitality Day" zu. Die Konferenz-Besucher zeigten damit den standardisierten Hotels für Jedermann ganz klar die rote Karte.
Mit der TED-Abstimmung endete eine illustre Hoteliersrunde unter der Moderation von Luxusmarken-Beraterin Claudia Roth von Totally Indispensable. Emile Bootsma, seit einem halben Jahr Geschäftsführender Direktor des Hotel Adlon Kempinski Berlin und seit sieben Jahren bei Kempinski, betrachtet sein Haus, das klassische Grandhotel, durchaus als Lifestyle-Hotel. "Der Adlon-Lifestyle hat eine eigene Geschichte, eine eigene Tradition", sagte er. Es sei die Aufgabe des Hoteliers, sein Haus und auch die Story seines Hauses immer wieder neu zu erfinden und dabei alle Segmente und Altersklassen zu berücksichtigen. "Wir blicken von innen heraus, von der Geschichte des Hotels, nach aussen."

Strukturierte Fragen brachten die Unterschiede ans Licht: Moderatorin Claudia Roth.
Als sehr erfolgreiche Aktion des Hotels in jüngerer Zeit führte Bootsma die "Swinging Sundays" an, einen Sonntags-Tanztee mit Musik aus den zwanziger Jahren, für den die Möbel aus der Lobby ausgeräumt werden. Promotet wird diese "neue Story" über Social Media, was die unterschiedlichsten Altersklassen ins Haus führt.
Sein Tipp: Luxushotels wie das Adlon müssten sich bei der Akquise der Lifestyle-Kunden breiter aufstellen. Wie der Gast ticke, sei dabei nicht immer einfach zu entschlüsseln. "Manche fliegen Low Cost und steigen dann in den teuersten Suiten ab, manche fliegen First Class und übernachten im Budget-Hotel." Die Definition, was Lifestyle für den einzelnen bedeute, sei sehr persönlich und zudem auch noch von der Kultur abhängig. "Wenn der Gast in der Tür steht, müssen wir entscheiden, was wir ihm als besonderes Erlebnis bieten müssen", so Bootsma. Sein Fazit: Grandhotels müssen heute durch die Individualisierung noch breiter aufgestellt sein als je zuvor, eine ganze Vielfalt an Services und Erlebnissen bieten.
Dazu gehöre es eben auch, mit den Menschen zu sprechen. Die Individualisierung habe inzwischen längst die Loyalty-Programme erreicht. "Die meisten Luxusgruppen haben keine Punkte-Systeme mehr", so Bootsma. "Wir z.B. haben innerhalb der Global Hotel Alliance ein Programm, bei dem man Erlebnisse gewinnen kann, welche man nicht kaufen kann." Hotel-Aufgabe sei es, die Loyalty zum Hotel zu erhöhen – und nicht gegenüber OTAs zum Beispiel.

Emile Bootsma: Die Grand Hotel-Story neu übersetzen.
Social Media-Influencers treiben die Marke
Diesen Trend haben natürlich auch globale Ketten erkannt: Die Orientierung am Lifestyle der Kunden und damit nicht an Altersgruppen ist bei der InterContinental Hotels Group schon seit Jahren im Gang. Dina Soliman, Director Brand Management Europe: "Es ist unsere Aufgabe, Produkt und Serviceleistungen zu kreieren, mit denen sich die Kunden identifizieren. Stark verknüpft seien diese Entwicklungen mit Design." IHG identifiziere Zielgruppen und designe die Hotels um sie herum.
"Es geht heute nicht nur um Betten, sondern um Spass und Lebensfreude", sagte sie und erklärte dies am Beispiel Indigo, der IHG-Marke für weitgereiste, neugierige Gäste, denen es bei ihren Reisen vor allem darum gehe, mit lokalen Dingen in Berührung zu kommen. Um jedes Hotel entwickle man eine einzigartige Geschichte. Der Standort beeinflusse das Design und auch die Mitarbeiter.
Gleichzeitig suche man "Beeinflusser", die in den sozialen Netzwerken ihre Followers leiten. Diese Botschafter der Marke erhöhen deren Bekanntheit und die Begehrlichkeit für das Produkt. "Du kannst ein schönes Produkt kreieren, aber ohne die Menschen, die die Atmosphäre vor Ort schaffen und ohne diejenigen, die Dein Produkt weiter tragen, wird es schief gehen." Indigo sei nicht geschaffen worden, weil existierende IHG-Marken an manchen Standorten an ihre Grenzen gestossen seien, sondern aus der veränderten Nachfrage heraus. IHG, so betonte Dina Solimann, gebe den Gästen beides: die Bonus-Punkte einerseits und die indidviudelle Marken-Story/das Erlebnis andererseits.
Facebook bewusst einsetzen

Michael Struck: Die Menschen zum Sprechen bringen.
Einen inhaltlich ähnlichen Weg hat Michael Struck, CEO der Ruby Hotels, eingeschlagen. Er bezeichnete Lifestyle als ein leeres Label, das für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge bedeute. Lifestyle sei nicht nur funktionell, sondern emotional behaftet. Es sei an der Branche, den emotionalen Mehrwert zu bieten. Bei der Entwicklung von Ruby setzte sich Struck das Ziel, seinen Häusern Individualität, Charakter und Seele zu verleihen und dem Gast Erlebnisse zu bieten. Beim Design entstehe die Seele beispielsweise durch die Kombination von Vintage-Möbeln mit anderen Stil-Elementen. "Wir sind nicht einheitlich und riskieren auch, unterwegs Kunden zu verlieren", sagte Struck.
Am Wichtigsten sei bei der Entwicklung der Marke Ruby die Frage gewesen, was man weglassen könne und welche Ausstattungsgegenstände und Dienstleistungen relevant seien. So habe man beispielsweise das Frühstücks-Angebot auf Bio umgestellt. Ruby spricht zudem besonders Kunst- und Musik-Freunde an, hat ein eigenes Radio-Programm und Bands als Partner, die nicht nur weitere Musiker, sondern auch Gäste ins Haus ziehen.
"Wir müssen die Menschen dazu bringen, über uns zu sprechen. Es ist heute wichtiger, wer über Dich spricht als wie man Dich findet." Ruby kommuniziere täglich mit seiner Zielgruppe. Relevanz ist ein Schlüsselwort, immer wieder. "Wir möchten emotional relevant sein für unsere Zielgruppe."
Es sei überraschend, was man über Facebook über Menschen herausfinden könne, so der Ruby-CEO weiter. Wer Facebook intensiv nutze, könne z.B. Gästen, die sich für spezielle Musik interessierten, ein Arrangement mit einem Konzert in London anbieten. Will heissen: Die Gästebindung endet nicht im Hotel, sie kann durchaus auch über Angebote an Orten erfolgen, an denen die Gruppe gar kein Hotel betreibt."

Dina Soliman: Botschafter im Netz suchen.
Mitarbeiter kreieren die neue Kultur
Luxus- und Lifestyle-Hotels brauchen alle eines: Mitarbeiter, die dieser intensiven Art der Ansprache und dem individuellen Service gewachsen sind. "Bei uns heisst das Motto: hire for attitude, train for skills", so Struck. Man gehe sehr sorgfältig bei der Auswahl des Teams vor, der Start sei ein Online-Assessment, darauf folgen drei Interview-Serien sowie ein Training in der Praxis. "Wir nennen die Mitarbeiter 'Host' und sie sollen so viel wie möglich am Gast sein."
Auch Emile Bootsma und Dina Solimann betonten die grosse Bedeutung des Einstellungsprozesses bzw. der Mitarbeiter-Auswahl. "Hinzu kommen kontinuierliches Training und das Vorleben von oben", sagte der Adlon-Manager. Solimann erklärte: "Die Mitarbeiter müssen Persönlichkeit haben und dabei eingebunden werden, die ganz spezielle Kultur des Hauses zu kreieren."
Last but not least fühlten sich die Hoteliers alle in ihren Konzepten und Ansätzen bestätigt: IHG erfand Indigo schon vor zehn Jahren und zählt heute bereits 62 Häuser – zu einem Zeitpunkt, an dem andere Ketten erst ihre erste Lifestyle-Marke kreieren. / Susanne Stauss
Die Video-Aufzeichnung dieses ITB-Panels in voller Länge finden Sie direkt unter diesem Link oder über www.itb-kongress.de.