Der Kampf von Dorint und die Giftliste des Finanzministers

Der Kampf von Dorint und die Giftliste des Finanzministers

Politik INSIDE Berlin: Kolumne von Frank Tetzel

Der Berliner Reichstag / c_Aron Marinelli, unsplash
Geht es der Hotellerie in Deutschland bald an den Kragen? / © Aron Marinelli, unsplash

Es wirkt wie eine Giftliste für die deutsche Hotellerie: So könnte man die Überlegungen aus dem deutschen Bundesfinanzministerium von Christian Lindner bezeichnen, nachdem die Wirtschaftszeitung Handelsblatt die neuesten Vorstellungen über Subventionsstreichungen publiziert hat. Und diese würden der deutschen Hotellerie richtig an den Kragen gehen. 

Der Schaden, den der FDP-Politiker Christian Lindner durch seine neuen Pläne im Hotel- und Gastgewerbe anrichten würde, wäre unendlich grösser als das, was der Dorint Hotels-Gesellschafter und -Aufsichtsrat Dirk Iserlohe seit Jahren auf dem Gerichtsweg einzuklagen versucht: Er will, nach dem im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungs-Prinzip, erreichen, dass die grossen mittelständischen Hotelgruppen genauso viel Staatshilfen aus der Corona-Misere erhalten wie einzelne Privathotels. 


Der Reihe nach: Auch wenn landläufig politisch die These vertreten wird, dass das Gastgewerbe sehr grosszügig mit Coronahilfen bedacht wurde, galt und gilt das nicht im gleichen Masse für die Hotellerie, die mit massiven Einbussen zu kämpfen hatte. Insbesondere durch Beherbergungsverbote mussten viele Unternehmen massive Einbussen hinnehmen. Die Dorint Hotelgruppe war die erste, die öffentlich machte, dass die staatlichen Hilfen sie nur unzureichend erreichen – eine Situation, die Iserlohe bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) trieb und die zum Bundesverfassungsgericht weitergereicht wird.


Die Ausgangslage: Seit März 2020, dem Beginn der pandemie-bedingten Schliessungen, argumentiert Iserlohe, dass die grossen mittelständischen Unternehmen im Gastgewerbe, zu denen auch Dorint zählt, ungleich behandelt wurden. Die Überbrückungshilfen und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, die von der Regierung aufgelegt wurden, schienen auf dem Papier zwar umfassend, erreichten aber nicht alle Unternehmen gleichermassen. Während kleinere und mittlere (Einzel-)Betriebe fast vollständig entschädigt wurden, fühlten und fühlen sich grössere, systemrelevante Unternehmen wie Dorint bis heute benachteiligt – ihnen wurde zum einen eine Forderungsobergrenze (54,5 Mio €) vorgegeben, so dass die Konzerne allenfalls 30-45 Prozent des Schadenersatzes erhielten. 


Im Bundesfinanz- als auch im Wirtschaftsministerium herrscht in diesem Kontext in der Tat die Auffassung vor, dass man ein Hotel einfach mal so zusperren und einige Wochen oder Monaten später genauso einfach wieder aufschliessen könnte. Sich einen Dornröschenschlaf wie im Märchen vorzustellen, entspricht aber leider nicht der Realität – die Politiker zeigten dabei einmal mehr, wie wenig Einblick sie in diese Branche haben. 


Der Weg durch die Gerichtsinstanzen: Nachdem sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Bremen die Klagen der Dorint Gruppe abwiesen, landete der Fall vor dem BGH. Am 11. April 2024 entschied der III. Zivilsenat des BGH gegen die Hotelgruppe. Die Richter argumentierten, dass die staatlichen Massnahmen zur Pandemie-Bekämpfung rechtens waren und die Ausgestaltung der Hilfen nicht gegen die Grundgesetzartikel zur Gleichbehandlung und zum Eigentumsschutz verstiessen.


Kritik am Bundesgerichtshof: Der pointiert formulierende und streitbare Dirk Iserlohe kritisierte das BGH-Urteil scharf. Er bemängelte, dass der Gerichtshof die speziellen Belastungen und die Not der grösseren Unternehmen nicht ausreichend gewürdigt habe. Der BGH habe sich mit abstrakten Argumenten und ohne echte Prüfung der Notlage der klagenden Unternehmen zurückgezogen. In seinen Augen hat das Gericht den Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Gleichheit vor dem Gesetz verankert, nicht genügend berücksichtigt.


Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht: Der letzte rechtliche Schritt führt die Dorint Gruppe nun vor das Bundesverfassungsgericht. In einer früheren Entscheidung hatte das Gericht die Bedeutung einer gleichmässigen Behandlung aller Unternehmen, unabhängig von ihrer Grösse, betont. Iserlohe schöpft daher Hoffnung, dass das höchste deutsche Gericht eine gerechtere Verteilung der staatlichen Hilfen fordern könnte.


Wirtschaftliche und politische Dimensionen: Die Angelegenheit wirft ein Schlaglicht auf die grösseren wirtschaftlichen und politischen Fragen, die durch die Pandemie aufgeworfen wurden. Wie können staatliche Hilfen gerecht verteilt werden? Welche Rolle spielt die Grösse eines Unternehmens dabei? Und wie werden solche Entscheidungen in Zeiten aussergewöhnlicher wirtschaftlicher Unsicherheit getroffen?


Die Antworten auf diese Fragen könnten weitreichende Folgen für die deutsche Wirtschaftslandschaft nach der Pandemie haben. Iserlohe und die Dorint Gruppe stehen dabei symbolisch für viele andere Unternehmen in ähnlichen Situationen. Der Ausgang ihres Rechtsstreits wird daher nicht nur für sie, sondern für das gesamte Gastgewerbe von Bedeutung sein. In der Zwischenzeit bleibt Dirk Iserlohe kampfbereit: "Abgerechnet wird am Schlossplatz, und bei keinem Gericht zuvor." Dieser Satz unterstreicht seine Entschlossenheit und den Glauben an die Gerechtigkeit, auch wenn der Weg dorthin ein langer ist. 


Das dicke Ende droht von anderer Seite – der FDP

Doch dieser Kampf ist gar nichts gegen das, was offensichtlich in der soeben bekannt gewordenen Subventionsstreichliste des FDP geführten Bundesfinanzministeriums zu finden ist. Ausgerechnet die FDP, die ein verlässlicher Partner des Gast- und Übernachtungsgewerbes zu sein schien, liess laut Handelsblatt ein brisantes Dokument aus dem Finanzministerium zirkulieren. Dieses listet nicht weniger als 21 Subventionen auf, die potenziell gestrichen oder gekürzt werden könnten, um das Haushaltsdefizit von geschätzten 25 Milliarden Euro zu schliessen.


Diese Liste enthält einen besonderen Aufreger für das Hotelgewerbe: die Überlegung, den ermässigten Steuersatz für Hotel-Übernachtungen von 7% auf den regulären Satz von 19% anzuheben sowie die Streichung der Steuerbefreiung für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge. Was für die Branche gleich eine doppelte Bestrafung wäre. Diese Vorschläge kamen übrigens zu einem denkbar ungünstigen – oder bewusst kurzfristigem? – Zeitpunkt, nämlich kurz vor der Deadline gestern, zu der alle Ministerien ihre Sparvorschläge einreichen mussten.


Diese speziellen Steuer-Vergünstigungen sind seit ihrer Einführung im Jahr 2009 ein Dorn im Auge vieler Kritiker, aber aufgrund des hohen Kostendrucks im Übernachtungsgewerbe inklusive des Fachkräftemangels wichtig zum Weiter- und Überleben dieser für Deutschland so wichtigen Branche. Die ermässigten Sätze sollten ursprünglich die Branche stärken, doch nun könnten sie der aktuellen Sparwelle der Regierung geopfert werden. Allein die Rückkehr zum regulären Mehrwertsteuersatz könnte zusätzliche 720 Millionen Euro jährlich in die Staatskasse spülen.


Die Reaktion der Hotelbranche auf diese Nachrichten war erwartbar heftig. Viele befürchten, dass höhere Kosten direkt zu Lasten der Mitarbeiter gehen und die Erholung der Branche nach der Pandemie massiv behindern könnten. Die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, signalisierte sofortige Besorgnis und versuchte, aus Berlin eine Klarstellung zu erhalten. Dort beteuerte man, dass es sich lediglich um ein Diskussionspapier handle und noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen seien. 


Wie dem auch sei – ob sich der Dehoga hier wirklich ins Zeug legt, bleibt abzuwarten, gibt es doch im Verband, der überwiegend mittelständisch geprägte und viele kleinere Unternehmen vertritt, eher einen traditionellen Hang zur Gastronomie. Und für dieses Branchen-Segment hat sich der Verband erst kürzlich, zum Jahresende 2023, mit seiner Kampagne für eine Beibehaltung der 7-prozentigen Absenkung der Umsatzsteuer eine blutige Nase geholt. 

Autor

Frank Tetzel

Frank Tetzel

schreibt u.a. über Nachhaltigkeit, Internationale Politik, aber auch über die Entwicklung von Städten und das Thema Tourismus und Hotellerie. Zudem ist er bestens vernetzt im politischen Berlin.

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