Der Preis ist relativ

Der Preis ist relativ

F&B Heroes: Die Psychologie des Pricings, leicht anwendbar

Couple dining
Erleben Gäste den Restaurantbesuch als etwas Besonderes, wird der Preis zur Nebensache. / © Getty Images, Unsplash

Viele Restaurantgäste sind derzeit preissensibel. Ebenso viele wollen sich bewusst etwas gönnen und sind bereit, einen guten Preis für gute Leistung auszugeben. Wie man beide Gruppen bestmöglich "abholt" und sein Pricing optimiert, ist nicht zuletzt eine Frage der Psychologie. Tim Plasse, Geschäftsführer von F&B Heroes, erklärt, was sich die Gastronomie vom E-Commerce abschauen kann. 

Hotelgastronomie hat häufig den Ruf, teuer zu sein und nicht so gut wie das Restaurant um die Ecke. Ist dieser Eindruck berechtigt oder sind zwölf Euro für eine 0,75-Liter-Flasche Wasser nur die Ausnahme? Ebenso diskutieren Gäste in Foren darüber, dass 6,50 Euro für ein 0,5-Liter-Bier eher "Wiesn-Zelt-Preise" und schlicht Wucher seien. 


Es fügt sich in ein Bild ein, das viele Gäste seit Corona von der Gastronomie haben. Die 21,1% Preissteigerung ist real, ebenso wie die 19% Steigerung der Lebensmittelpreise seit 2019. Die Rücknahme der reduzierten Mehrwertsteuer hat zu einer zusätzlichen Anhebung der Preise in der Gastronomie beigetragen. Streng genommen könnte man argumentieren, dass die Weitergabe von 12% nicht in Ordnung sei, wenn man die Preise zuvor auch nicht um 12% gesenkt hat. Gleichzeitig sind jedoch auch die Löhne im Gastgewerbe um 13,6% gestiegen.


Tim Plasse

Tim Plasse: Sieht die Zukunft der Hotel-Gastronomie zwischen Exklusivität und Erschwinglichkeit.Josie Farquharson

Tim Plasse

Es ist eine schwierige Situation. Fakt ist, dass Hotellerie und Gastronomie die Kosten-Steigerungen nicht durch Effizienzsteigerung kompensieren konnten und daher meist ungefiltert auf den Preis aufgeschlagen haben. Vielleicht haben wir in der Branche nach Corona übertrieben? Es hat zumindest den Anschein.


Image, Design, Küche und Service

Doch Preise sind relativ. Das Credo lautet: Value for Money. Fragt man erfolgreiche Hotelgastronomen nach Einschnitten, grinsen sie nur und schütteln den Kopf – denn 2024 war für viele das beste Jahr überhaupt. Gäste wetteifern um Restaurant-Plätze und feiern den Konsum. Wenn Image, Design, Küche und Service stimmen, dann wird der Preis eher zum Ausdruck von "sich etwas gönnen" und erzeugt Befriedigung. Der Gegenwert ist nicht allein das Produkt, sondern das, was es darstellt – heisst: wie sich die Gäste fühlen, was sie erleben und mit welchen Menschen sie sich umgeben. Damit wird der Preis auch zum selektiven Faktor.


Auf der anderen Seite ist Erschwinglichkeit der neue Trend. Viele Gäste sind preisbewusster denn je und schwanken zwischen "sich etwas gönnen" und "es sich leisten können". Oder es ist schlicht Ausdruck eines neuen Sinns für Verhältnismässigkeit. Ein Faktor 4 bis 5 auf dem Einkaufspreis mag bei fünf Euro noch vertretbar sein, aber bei höheren Warenkosten stösst man schnell in signifikante Sphären vor. Im Vergleich zu den 9.800 Euro für eine Flasche Dom Pérignon im Nikki Beach Club in Saint-Tropez ist sicher noch viel Luft nach oben – denn das entspricht einem Faktor von 42.


Allerdings – 36% der Deutschen beabsichtigen, ihre Ausgaben in der Gastronomie zu reduzieren. 54% wollen öfter zu Hause bleiben und dort essen anstatt auszugehen.


Was bedeutet das für die Hotelgastronomie, die in der Regel mit einer Vollkosten-Rechnung arbeitet? Als Kaufmann liegt es nahe, alle Kosten auf den Preis umzulegen – das funktioniert jedoch nur im theoretischen Fall von 100% Auslastung. Oder man nutzt die Bequemlichkeit der Hotelgäste, um entsprechend hohe Preise zu rechtfertigen. Die Hotellerie kennt das Prinzip des dynamischen Pricings – zumindest für die Zimmer. Warum also nicht auch für F&B?


Wer nicht zu den Top 1 gehört und somit jeden Preis verlangen kann, muss sich mit seinem Wettbewerbspreis beschäftigen und konkurrenzfähig bleiben. Neben Konzept, Angebot, Qualität und Service ist auch ein marktkonformes Pricing essenziell.



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Lässt sich das Konzept des dynamischen Pricings der Zimmer auch auf F&B übertragen?Getty Images, Unsplash

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Hier der Vorschlag der F&B Heroes für Hoteliers für ein erfolgreiches Pricing in Ihrer Gastronomie:

Struktur

Dynamisches Pricing braucht eine solide Basis. Eine klare Struktur der Angebotskategorien – nicht nur auf der Speisekarte, sondern vor allem im Kassensystem – ermöglicht eine präzise Kalkulation des Deckungsbeitrags pro Angebot. Aus diesen Werten lässt sich ein durchschnittlicher Deckungsbeitrag pro Kategorie ableiten, der als Kompass dient: Durch kontinuierliche Steigerung und Optimieren des Deckungsbeitrages wird die Profitabilität maximiert. Zugegeben, das ist aufwendig, aber essenziell für eine effektive Preisstrategie. Prozentuale Werte sind zwar für den Controller leichter zu prüfen, aber wir tragen keine Prozente zur Bank, sondern Euros. Es braucht also in der gesamten Organisation eine entsprechend durchgängige Struktur.


Strategie

Preis ist Psychologie – der Preis braucht Kontext. Erst im Verhältnis zu anderen Preisen lässt sich sein Wert einschätzen. Eine geschickte Anordnung von "Einstiegs"- und "Premiumpreisen" auf der Karte macht die Mitte automatisch attraktiver. Menschen entscheiden sich gern für die Mitte. Gleichzeitig wird die mentale Buchhaltung der Gäste beeinflusst. Eigene Nischen oder besondere Bezeichnungen schaffen ausserdem Preise, die weniger direkt vergleichbar sind.


Lernen vom E-Commerce

Vieles lässt sich aber auch aus dem E-Commerce lernen: Traffic-Generierung, Conversion, Aktivierung, Upselling und Retention. Übertragen auf die Hotel-Gastronomie ergeben sich folgende Ansätze:


1. Knappheit und Dringlichkeit

  • "Nur noch wenige verfügbar!" schafft ein Gefühl von Dringlichkeit.
  • "Begrenztes Angebot!" vermittelt Exklusivität.
  • Countdown-Timer (z.B. für Deals oder Aktionen) erhöhen den Druck.


2. Social Proof

  • "Bestseller" signalisiert Beliebtheit und schafft Vertrauen.
  • Kundenbewertungen und Rezensionen sind glaubwürdige Empfehlungen.
  • Live-Anzeige der aktuellen Verkäufe erzeugt Dynamik und Begehrlichkeit.


3. Personalisierung

  • "Empfehlungen für Sie" basieren auf bisherigen Käufen oder Vorlieben.
  • "Zuletzt angesehen" erinnert an zuvor gesehene Produkte/Gerichte.
  • Wunschlisten steigern die Wahrscheinlichkeit eines späteren Kaufs.


4. Gamification

  • Rabatt-Codes als Belohnung für Treue.
  • Treuepunkte-Systeme binden Gäste spielerisch an den Betrieb.
  • Gewinnspiele oder Verlosungen sorgen für zusätzlichen Anreiz.


Nicht alles davon lässt sich 1:1 auf die Hotel-Gastronomie übertragen, aber man kann sich viele Mechaniken und Taktiken abschauen. Denn es geht um die Hilfestellung für die Gäste bei ihrer Kaufentscheidung, anstatt nur um die Darstellung des Angebots. So rückt der Preis in den Hintergrund.


In einer digitalisierten Welt ist es zudem denkbar, dass eine "dynamische Speisekarte" eher wie ein Webshop agiert anstatt starr zu sein. Die Flexibilität erlaubt kurzfristige Anpassungen und gleichzeitig lassen sich Daten sammeln, die Auskunft über Vorlieben und Kaufverhalten geben – ein Vorteil, den Online-Händler längst konsequent nutzen.


Coffee bar, prices

Goldene Mitte für klingende Kassen: Auf Speise- und Getränkekarten sollte die Offerte mit dem höchsten Deckungsbeitrag mittig platziert werden. Nathan Anderson, Unsplash

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Wahrnehmung

Die visuelle Gestaltung von Speise- und Getränkekarten ist oft unterschätzt, aber absolut entscheidend. Es geht nicht nur um Typografie und Design, sondern darum, wie die Artikel angeordnet sind. Der Lesefluss bestimmt, welche Angebote wie oft wahrgenommen werden. Das Auge fällt zuerst auf die "goldene Mitte". Dort sollte das Gericht oder Getränk mit dem höchsten Deckungsbeitrag platziert werden. Der Primacy- und Recency-Effekt besagt zudem, dass Inhalte am Anfang und Ende besser im Gedächtnis bleiben. Viele Seiten können beeindrucken, helfen aber nicht bei der Entscheidung. Auch hier gilt: dem Gast bei der Kaufentscheidung zu helfen – steuern Sie, was er wahrnehmen soll.


Kostenreduktion statt Preiserhöhung

Ein berechtigter Einwand lautet: "Wie können wir die Kosten senken, damit unsere Preise für die Gäste wieder attraktiver werden?" Alle Strategien nützen nichts, wenn die Kosten sich nicht decken lassen. Gibt es Alternativen zur Preiserhöhung? 


Es heisst, wenn das Optimum erreicht ist, muss ein Prozesswechsel her. "Weiter so!" ist keine Option. Wir müssen tief in den "Maschinenraum" blicken und unsere Prozesse neu denken. Wie kann man den Kern der Gastronomie – Gastfreundschaft – in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig Ressourcen effizienter nutzen? 


Ein Ansatz ist, möglichst viele Abläufe zu automatisieren und alle Aufgaben zu eliminieren, die nicht zum Kern gehören. Das können Self-Ordering-Lösungen sein, die Upselling automatisch übernehmen, digitale Tools für Inventuren und Bestellungen, smarte Reservierungstools zur Steigerung der Auslastung oder sogar Küchenroboter für standardisierte Arbeiten. 


Menschliche Interaktion ist wertvoll und sollte von monotonen, frustrierenden Aufgaben entlastet werden. Glücklicherweise leben wir in einer Zeit, in der KI und Automatisierung viele Möglichkeiten eröffnen.


Fazit

Die Hotel-Gastronomie steht an einem Scheideweg: Einerseits hinterfragen Gäste die hohen Preise, andererseits kämpft die Branche mit steigenden Kosten und sinkender Nachfrage. Wie kann man sich in diesem Spannungsfeld behaupten?


Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel – weg von der starren Vollkosten-Rechnung, hin zur Deckungsbeitragsrechnung, die die Psychologie der Gäste einbezieht und gleichzeitig die Profitabilität sichert.


Der Schlüssel liegt in der Kombination bewährter Strategien mit neuen Technologien. Lernen Sie von Online-Händlern, nutzen Sie die Macht der visuellen Darstellung und setzen Sie auf Automatisierung, um Prozesse zu optimieren und Ressourcen effizienter einzusetzen.


Die Zukunft der Hotel-Gastronomie gehört denen, die sich klar positionieren: zwischen Exklusivität und Erschwinglichkeit. Bieten Sie Ihren Gästen ein unvergessliches Erlebnis, das seinen Preis wert ist, oder schaffen Sie so viel Mehrwert und Image, dass der Preis zur Nebensache wird. Denn am Ende gilt: Der Preis ist relativ. / kn

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