Berlin. "Gibt es bald nur noch Urlaub hinter Stacheldraht?" hatte schon vor Jahren der Ex-TUI-Vorstand Karl Born gefragt, und auch Kempinski-CEO Reto Wittwer beschrieb Hotels bereits als weiches, schwer zu schützendes Ziel. Auf solche Aussagen wies der Journalist Peter Hinze als Moderator des Panels über "Sicherheit: Wenn der Urlaub im Chaos versinkt" beim 7. "ITB Hospitality Day" vor vier Wochen in Berlin hin. Ed Fuller, an der ITB im März noch Präsident von Marriott International, hat drei Marriott-Hotels nach Attentaten betreut; Mayar Abdel Aziz von Orascom El Gouna erlebte den "Arabischen Frühling" live mit, und Siemens Hospitality-Experte Michael Hartmann kommentierte den Sinn von Sicherheit und den Wandel.
"Politische Unruhen, Krisen, Attentate. Wie schützen Hotels ihre Gäste?" lautete der Untertitel dieser hochinteressanten, aber leider nur spärlich besuchten Talkrunde an der ITB-Hotelkonferenz. Nach dem "Arabischen Frühling" letztes Jahr bekam die Fragestellung besondere Brisanz, und so stellte sich schnell heraus, dass in der weltweiten Bewertung Ägypten zumindest vorläufig auf der höchsten von drei Gefahrenstufen angesiedelt bleibt. Mayar Abdel Aziz, die das Marketing für das sehr erfolgreiche Retorten-Resort El Gouna verantwortet und die Revolution mit erlebt hat, würde heute allenfalls den Sinai als unsicher bezeichnen, nicht aber die Resorts am Roten Meer. Kairo sei etwas chaotisch, mit viel Polizei durchzogen derzeit - "aber die Unruhen sind Machtkämpfe im Land und haben nichts mit dem Tourismus zu tun," betonte sie.
"Die Bedrohungslevel werden mit der Zeit dynamischer," griff Michael Hartmann, Senior Vice President Head Market Development Board Hospitality bei der Siemens AG, das Beispiel Ägypten auf. Viele Vorfälle - wie terroristische Überfälle auf Hotels - seien eben nicht absehbar und damit planbar.
Der Gast will generell Sicherheit
Der Marriott-Präsident, seit dieser Woche im Ruhestand, bejahte dies. Trotzdem haben zwei Bomben-Attacken auf das Marriott Jakarta sowie das zusammengestürzte Marriott World Trade Center Ed Fuller in einem bestätigt: Eine Destination, die es schaffe, das Vertrauen der Reisenden zu halten oder zurückzugewinnen, habe immer gewonnen. "Marriott hat schon vor 30 Jahren mit Marktforschung zum Thema Sicherheit begonnen, erst in den USA, dann im Ausland," fasste er zusammen, "immer lautete das Ergebnis: Der Gast will generell 'sichere' Erlebnisse und Erfahrungen."
Seit Jahren teilt Marriott die Regionen, in denen die Kette mit 4.000 Hotels heute vertreten ist, sogar in fünf Sicherheitsstufen ein; diese differieren auch innerhalb eines Landes. Diese Evaluierung nehmen eigene Marriott-Spezialisten weltweit vor. "Wir entwickeln selbst unterschiedliche Schutzvorgaben," so Fuller. Die frühe Entwicklung von Sicherheitsstandards bei Marriott hat dazu geführt, dass Firmen diese auch zuerst abfragen, bevor sie ihren Mitarbeiter in diesen Hotels unterbringen.
"Die grossen amerikanischen Hotelmarken haben weltweit hohe Standards gesetzt - höhere als offiziell vorgesehen," lobte der Siemens-Experte. Für die Zukunft aber sieht er auch, dass sich Hotels anders orientieren müssen: Nicht die Sicherheitsstandards seien dabei sich zu ändern, sondern die Umgebungsparameter: Künftig würden Städte ihre Viertel nach immer höheren, ordnungspolitisch wichtigen Security Levels sondieren. "Die Hotellerie muss hier eine Stimme bekommen," mahnte er angesichts der veränderten Sicherheitsprioritäten, die Siemens vor allem in den schnell wachsenden Mega-Cities der Welt aufkommen sieht.
Sicherheit ist käuflich
"Die Unsicherheit wird sich nicht mehr ändern," unterstrich auch Ed Fuller, bedauerte aber, dass heute nicht mehr zwischen Terror-Gefahren und anderen Unsicherheiten unterschieden würde und kritisierte auch die Medien, die in ihrer Berichterstattung häufig übertreiben würden.
Moderator Peter Hinze gab der Runde zu denken: "Im gesamten arabischen Raum gibt es nur einen 'sicheren' Hafen: Dubai. Ist Sicherheit käuflich?" Hartmanns klare Antwort: "Ja." Sicherheit lasse sich mit viel Geld strategisch aufbauen: Mitgehörte Telefonate werden beim Auftauchen bestimmter Vokabeln abgehört, und Unterwasser-Sicherheitsringe um die Palm-Inseln seien Beispiele für einen enormen, strukturierten Sicherheitsaufwand. Wer wie Dubai so extrem auf Tourismus setze, "kann nicht anders als massiv die Sicherheit zu erhöhen," so sein Fazit.
Doch Sicherheit darf es nicht nur für Gäste, sondern auch für Mitarbeiter und Anwohner geben, betonte Mayar Abdel Aziz: In El Gouna, wo heute 22.000 Menschen leben oder Urlaub machen, gibt es eine Reihe von Sicherheitssystemen, "aber man muss damit flexibel umgehen."
Security-Oasen sind die Zukunft
Natürlich fühlen sich Urlaubsreisende ohne Sicherheitsscreening in der Hotel-Lobby oder technische Überwachung komfortabler, Firmen hingegen würden Geschäftsreisende nur in sogenannten "Security-Oasen" unterbringen. Hinzes Frage "Sind diese Oasen das sichere Hotel der Zukunft?" beantwortete zumindest Ed Fuller für den Part der Geschäftsreisen mit Ja.
Last but not least plädierte der krisen-erprobte Hotelier dafür, auch stets an die eigenen Mitarbeiter zu denken und sich um diese genauso intensiv zu kümmern wie um die Gäste. So hat Marriott aus seinem bedrohten Hotel in Tripolis, Lybien, Gäste wie Mitarbeiter auf eigene Kosten ausfliegen lassen - ohne auf die Unterstützung der lokalen Regierung zu warten. "Mitarbeiter kennen ihre Verantwortung für Gäste," lobte Fuller, "in Thailand sah ein Restaurantleiter die Tsunami-Welle kommen und holte die Gäste vom Strand."
Michael Hartmann riet der Hotellerie abschliessend: Sie soll verschiedene Prozesse für verschiedene Notfälle etablieren - vom Feueralarm bis zur Touristen-Attacke. Sicherheitssysteme müssten dabei das Mitarbeiter-Training unterstützen. Das Schlusswort war kurz und wahr: "Wir leben heute in latenter Gefahr." / Maria Pütz-Willems